Herrlichkeit allerorten: Da liegt das Gefühl durchaus nahe, dass alles das eine Männersache ist. Wo Herrlichkeit auf der einen Seite ist, da ist auf der anderen Fraulichkeit - also vor allem Beschäftigung mit Mode, was auch nett, aber als Gegenwert irgendwie unbefriedigend ist -, oder aber Dämlichkeit. Gleiches gilt für den mit Herrlichkeit eng verbundenen Begriff der Ehre, denn sein Gegenstück ist die Scham, und die ist sprach- und kulturgeschichtlich vor allem dem Weiblichen eigen.
Natürlich ist das "nicht so gemeint". Im Zweifel muss man das wohl "theologisch sehen", was aber meistens leider nicht heißt, mit einer Leidenschaft für Gott-die-Lebendige auf das Leben zu schauen, sondern offensichtiche Ungerechtigkeiten wegzuerklären, weil bei Gott ja alles ganz anders sei oder aber Gott das Patriarchat eigentlich ganz in Ordnung finde. Eine Unterart dieses Gedankens ist nebenbei, dass das, was geworden ist, auch allein durch sein Gewordensein als gottgewollt zu gelten hat, besonders wenn es um Macht geht. Eine unerklärte Ausnahme davon ist selbstredend das Gebiet geschlechtlicher Vielfalt.
Herrlichkeit also. In der Hebräischen Bibel ist das zuerst ein Wort, mit dem "Schwere" und "Gewicht" verbunden wird, etwas, das Eindruck macht: Kavod. (Auch das ist mit Frauen heute schwer zu verbinden, für die die Norm gilt: je weniger Gewicht, desto besser.) Der Schwere gesellt sich ein anderes Bedeutungsfeld hinzu, nämlich Glanz, etwas Lichtvolles, das sich gleichwohl im Ineinander von Feuer und Wolkendunkel zeigt, wenn Gott die Kinder Israels aus Ägypten hinausführt und sich am Sinai offenbart. Menschen sind vor Gott unterschiedslos ehrbegabt, auch wenn das zeitgenössische Patriarchat eine klare Gliederung der Standesehrbarkeiten kennt. Weil die menschliche Ehre in die Herrlichkeit und Ehre Gottes eingebettet ist, ist es übrigens eine Ehrerbietung Gott gegenüber, sich um weniger geehrte Mitmenschen zu kümmern. Daher kommt der Hinweis Jesu: "Was ihr ihnen getan habt, habt ihr mir getan."
Die Herrlichkeit Gottes verschmilzt sodann mit dem Namen Gottes, denn ihr Name ist ein Wortspiel mit dem Satz "Ich bin, als wer ich mich erweisen werde", und das geschieht im Aufleuchten der Herrlichkeit am Sinai wie auch im Heilwerden des Menschen. Und nicht zuletzt zeigt sich die Herrlichkeit Gottes zwar auch in Pracht und Macht des Königs, vor allem aber in seiner Legimitation. Herrlichkeit ist ein schillernder Begriff, und nicht nur die Kinder Israels wussten wohl, dass die Legitimation von Macht eine heikle Angelegenheit ist. Je mehr das vergessen wird, vor allem von Menschen, die sich zur Ausübung von Macht legitimiert wissen, desto eher wird aus dem Schwereglanz Gottes immer weniger ein Hoffnungsgut auf einen Wendepunkt der Geschichte denn eine menschliche Herr-lichkeit.
Im griechischen Neuen Testament wird der Begriff doxa zum zentralen Wort für den hebräischen kavod. Damit hat ein vormals in der griechisch-philosophischen Tradition geschmähter Begriff für den schönen Schein ein ganz neues Gewicht bekommen. Jesusgläubige sehen in ihm Gottes doxa, und sie erwarten seine Wiederkunft mit der Wolke, eine Vollendung der Offenbarung am Sinai - wo er doch zweimal in der Lichtwolke verschwunden war, erst auf dem Tabor und dann schließlich beim Eingehen in Gottes Glanz.
Der Evangelist Johannes betont das besonders, er erzählt ausführlich, wie Gottes Glanz schon immer lichtvoll auf Jesus gelegen hatte und in seinem Leben offenbar geworden war, und wie er ihn an die Jüngerinnen und Jünger weitergegeben hatte und den Geist der Gottesgegenwart bei ihnen ließ, bevor am Kreuz seine Verherrlichung offenbar und er selber schließlich aber ins Licht entzogen wurde. Das ist zwar das Evangelium, in dem das Bild des Vaters für Gott mehr dominiert als in allen älteren Schriften, weil das das Bild dafür ist, dass Gott der Ursprung Jesu ist, das aber auch ausführlich von den Frauen um Jesus spricht und dem Petrus ein ebenbürtiges Gegengewicht in Maria von Magdala gibt.
In den Lesungstexten des Sonntags aber erscheint das alles als ein closed shop: Die Herrlichkeit Gottes, des Herrn, im Sohn Jesus Christus und bei seinen Jüngern, diese Herrlichkeit und Verherrlichung wirken durch die so enge Verzahnung von Männlichkeit und Herrlichkeit im Deutschen nicht erleuchtend - in Gottes Glanz hineinnehmend, die keine Unterschiede macht -, sondern verdunkelnd, und in diesem Wolkendunkel mag Gott für Nicht-Männer nicht gut zu finden sein. Dass da mehr sein könnte als ein Gespräch zwischen Männern und über Männer, das muss diesen Texten erst abgerungen werden.
Die Assoziation mit Männlichkeit, wie sie das Wort "Herrlichkeit" mehr als nur nahelegt, eignet übrigens weder dem hebräischen kavod noch der griechischen doxa. Umso dringender ist eine andere Übersetzung angeraten, die dem heiligen Namen Gottes besser entspricht, denn Gott erweist sich als Gott für Leben und Fülle, nicht für Niederdrückung und Kleinhalten. Der Glanz Gottes aber, der in dieser Welt aufscheinen soll, er wird durch ungerechte Herrschaft verdunkelt und entstellt. Ich plädiere darum für die Übertragung von kavod und doxa mit "Glanz" oder, wenn es weniger anschaulich sein darf, "Schwereglanz" und statt "verherrlichen" eignet sich gut das Wort "aufleuchten" - damit Gottes Wirklichkeit in der Sprache aufscheine, die Wirklichkeit schafft.
// Zu den Lesungen des 7. Sonntags der Osterzeit A:
1Petr 4,13-16: "Freut euch, dass ihr Anteil an den Leiden Christi habt, denn so könnt ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln."
und
Joh 17,1-11 "Vater, die Stunde ist gekommen - verherrliche deinen Sohn!"