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Aber Jesus war nun einmal ein Mann

Datum:
So. 12. Sept. 2021
Von:
Annette Jantzen

Weltweit, nur in immer neuen Variationen, herrschen Männer über Frauen und schwächere Männer. Die Begründungen wechseln und wirken doch, mit etwas Abstand betrachtet, verstörend einheitlich. Nur wenn herrschende Männer so offensichtlich agieren wie derzeit die Taliban in Afghanistan, dann wird es von vielen bemerkt: Hier hält sich eine Menschengruppe schlicht für wertvoller als die andere Menschengruppe.

Und die Religion? Die scheint das noch zu stützen. Im Christentum geht das Göttliche geradezu unter die Haut: Gott wird fassbar in menschlicher Gestalt. Gott wird Mensch - als Mann. Weltweit haben das Christen als Hinweis darauf verstanden, dass ganz offensichtlich das männliche Geschlecht das bessere, das gottähnlichere, das würdigere sei. Und auch in der kirchlichen Organisation herrscht heute zum Beispiel in der katholischen Kirche die Auffassung, es sei gar nicht möglich, dass Frauen und Männer in der Kirche die gleichen Aufgaben haben könnten, denn Jesus Christus war nun einmal ein Mann und damit gibt es Aufgaben in der Kirche, die seine Gegenwart spürbar machen, die dann eben nur ein Mann übernehmen kann.

Und wir, die Frauen? Wie nah ist Gott uns gekommen? Ist eine Frau in dieser Welt wirklich geringer vor Gott? Warum, Gott, hast du dich nicht als Frau gezeigt?

Aber, mit Blick auf die Erzählungen über Jesus, auf Nacherzählungen seiner Geschichten, auf die Worte von denen, die ihm begegnen durften, mit Blick auf Jesus scheint es völlig absurd, dass in seinem Namen Männer Frauen Räume, Aufgaben und Sichtbarkeit verweigern. Jesus hat beim Patriarchat seiner Zeit nicht mitgemacht. Er hat Frauen nicht ausgegrenzt, er hat es abgelehnt, dass Menschen andere Menschen unterdrücken. Er hat den Ausgegrenzten, den Unreinen, den Armen ihre Würde zurückgegeben. Er hat den Tod erlitten, der ihn zum Gegenteil des patriarchal herrschenden Mannes gemacht hat. Er hat in diesem Sinn am Kreuz seine Männlichkeit aufgegeben. 

Und das ist genau das, was nicht möglich gewesen wäre, hätte Gott sich in Gestalt einer Frau so fassbar gemacht. Eine Frau hätte die Herrschaft der einen über die anderen nicht genauso sichtbar ins Unrecht stellen können, weil eine Frau keine Macht hat(te), die sie hätte ablehnen können. Gott wird in Gestalt eines Mannes sichtbar, nicht weil ein Männerkörper besser oder gottähnlicher wäre als ein Frauenkörper, sondern weil nur ein Mann der Herrschaft von Männern über Frauen sichtbar widersprechen konnte - durch Worte, durch Annahme, durch unterschiedslose Nähe, durch absolute Offenheit.

Und ausgerechnet die christliche Kirche, die sich in seine Nachfolge gestellt hat, hat ihn nun im Nachhinein zum Patriarchen seiner Kirche gemacht, und viele Zweige dieser Kirche verweigern Frauen die gleichen Rechte wie Männern. (Im Zuge dessen wurde Jesus auch als weißer Mann in Gedächtnis und Kultur eingeschrieben - das ist ein anderes, aber mit diesem zusammenhängendes Problem.) Und sie sehen sich dabei von Jesus selbst bestätigt, weil Jesus eben ein Mann war. Wenn es nicht so traurig wäre, dann wäre es zum Lachen. 

Es ist aber nicht zum Lachen, weil es weltweit auch in den Kirchen Gewalt gegen Frauen gibt. Wenn diese Frauen nun aufstehen, dann haben sie Jesus an ihrer Seite.