Karfreitag ist ein schwerer Tag. Der Tag behält seine Prägung, er bleibt überschattet allein vom Wissen, dass Karfreitag ist.
Es hängt so vieles mit dran an diesem Karfreitag, auch Gottesbilder, die Gott bis zur Unkenntlichkeit entstellen: Als ob ein zorniger und gewalttätiger Vatergott - den die Bibel so weder im ersten noch im zweiten Testament kennt! - den Tod Jesu, des gesegneten Menschen, gewollt oder gar gefordert und herbeigeführt hätte. Als ob der Tod Jesu nötig gewesen wäre, damit Gott auch nur die kleinste Sünde der Menschen vergeben könnte. Nicht immer wird diese Vorstellung, wo sie aufgerufen wird, so deutlich ausgesprochen. Gewalt wird damit dennoch ausgeübt, an Gott und an Menschen. Es ist eine doppelte Perversion, ausgerechnet diese Sünde, diese Gewalttat von in ihrer Macht bedrohten Männern als Willen Gottes darzustellen.
Karfreitag zu feiern ist auch deswegen schwer. Und doch ist kein Vorbeikommen an diesem Tag, denn es gehört zum befreienden Leben Jesu, dass er aus der Kraft Gottes einen Lebensstil gewählt hatte, der einen solchen Tod wahrscheinlich machte.
Und zugleich ist Gott nicht freizusprechen von der Verantwortung für diesen Tod, schon allein weil Gott diese Welt im Dasein hält und alles Böse dadurch erst ermöglicht.
Mit diesem Gewicht im Gepäck stehen wir vor dem Kreuzweg. Es ist gut, dem Gedenken und der Feier Raum und Zeit zu geben, auch um sich nicht in einem einsamen Karfreitag zu verlieren.
Darum, zur Einstimmung: Ein Kreuz herbeiholen, das mir etwas bedeutet, es in der Hand wiegen, die Oberfläche spüren, es betrachten. Oder alternativ eins aus Material legen, was eben gerade vorhanden ist, oder eins malen - ganz einfach oder wild-kreativ. Beim Betrachten oder beim Gestalten alles mit hineinlegen, was mir jetzt durch Kopf und Herz geht - Traurigkeiten und Schmerz, Abwehr oder Fragen, Klagen oder Anklagen, Einsamkeit und Menschen, mit denen ich verbunden sein will, Angst und Hoffnung und Schweigen.
In dieser Stille beginnen. Der heutige Kreuzweg braucht nur Stichworte. Wir wissen, was Jesus geschehen ist bis zum bitteren Ende. Und doch ist es ein Weg, den wir im stillen Gedenken Station für Station mitgehen, dabei bei jeder Station verweilen und sie vergegenwärtigen:
Verraten.
Verurteilt.
Gequält und verspottet.
Unter dem Kreuzbalken gefallen.
Gekreuzigt.
Gestorben.
Begraben.
Das Leid ins Gebet nehmen. Dabei alles mit nehmen, was ich stellvertretend vor Gott bringen möchte. Vor dem Hintergrund des Leidens Jesu die Menschen ins Gebet nehmen, von deren Leid ich weiß - mir nahe Menschen und die, von denen ich nur weiß, dass es sie gibt. Für sie und an ihrer Stelle mit den Worten beten, mit denen auch Jesus schon gebetet hat, alte Worte für immer neue Not:
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich schreie, doch die Befreiung bleibt fern.
Mein Gott, rufe ich bei Tag - du antwortest nicht,
bei Nacht - es gibt keine Ruhe für mich.
Doch du bist heilig,
wohnst in den Lobliedern Israels.
Auf dich vertrauten unsere Mütter, unsere Väter.
Sie vertrauten, und du ließest sie entrinnen.
Zu dir schrien sie und durften entschlüpfen.
An dir gesichert wurden sie nie beschämt.
Ich aber, ein Wurm bin ich und kein Mensch,
Spott der Leute, verachtet vom Volk.
Alle, die mich sehen, verhöhnen mich,
verziehen die Lippen, schütteln den Kopf.
"Wälze es auf die Lebendige! Sie lässt entrinnen, rettet, an wem sie Gefallen hat!"
Ja, du hast mich aus dem Mutterleib gezogen,
mir Vertrauen eingeflößt an der Brust meiner Mutter.
Auf dich bin ich geworfen vom Mutterleib an,
vom Schoß meiner Mutter an bist du mein Gott.
Sei nicht fern von mir, denn ich bin so bedrängt - nirgendwo Hilfe.
Wie Wasser bin ich hingegossen,
alle meine Knochen fallen auseinander.
Mein Herz ist wie Wachs geworden,
geschmolzen in meinem Inneren.
Ausgetrocknet wie eine Tonscherbe ist meine Kraft,
meine Zunge klebt an meinem Gaumen.
In den Staub des Todes legst du mich.
Hunde umkreisen mich, eine Meute von Bösen umgibt mich,
binden meine Hände und meine Füße.
Zählen kann ich alle meine Knochen.
Sie schauen mir zu, begaffen mich.
Sie teilen meine Kleider unter sich,
über mein Gewand werfen sie das Los.
Du aber, Lebendige, sei nicht fern!
Meine Starke, komm zu meiner Hilfe, schnell!
Rette meine Kehle vor dem Schwert,
aus den Klauen der Hunde mein einziges Leben.
Befreie mich aus dem Maul des Löwen,
vor den Hörnern der Stiere. – Du antwortest mir.
Ich will erzählen von deinem Namen vor meinen Geschwistern.
Mitten in der Gemeinde will ich dich loben.
Die ihr Ehrfurcht habt vor der Lebendigen, lobt sie,
alle Nachkommen Jakobs, gebt ihr Gewicht.
Fürchtet sie, alle Nachkommen Israels.
Sie erachtet nicht gering, verschmäht nicht
das Leiden der Besitzlosen.
Sie verbirgt ihr Antlitz nicht vor denen,
die nach ihrer Hilfe schreien – sie hört.
Die alten Worte nachklingen lassen. (Möglich: Mit einer englischen Vertonung des Psalms nach Michel Guimont. Dabei:) Die Hände geöffnet vor sich halten, mit den Handflächen nach oben. Gott hinhalten, was sich einstellt: Bitte und Klage, das Wissen um Not und Machtlosigkeit, Offenheit und Stille.
So lange es gut tut, so verweilen.
Dann diese Gebetshaltung lösen, vielleicht mit den Händen von oben nach unten über die Oberarme und den Körper streichen.
Abschließend beten:
Gott, du bleibst doch Gott, auch in deinem Schweigen.
und ich bete, auch wenn du schweigst. Trotz allem: Bleibe bei mir, bleibe bei uns. Behüte alle, die ich im Herzen trage, und bewahre unser Leben bei dir.
Amen.
Zum Ende für das Kreuz einen Platz suchen - den gewohnten oder einen neuen. Es bewusst dort anbringen oder hinlegen, damit alles verbinden, was in dieser Feier angeklungen ist, und einen Endpunkt setzen.
Möglichkeit zum gemeinsamen Gebet: Wenn Sie Ihr Gebetsanliegen mit anderen teilen können, finden Sie eine Möglichkeit dazu auf www.zeitfenster-aachen.de
Bleiben Sie gut behütet. Wenn Sie ein offenes Ohr brauchen, erreichen Sie mich unter 0172-2685162 oder bei facebook: gotteswort, weiblich