Einstimmung:
Sammeln: Wofür ich heute dankbar bin. Und wen ich in Gedanken mit hineinnehmen möchte in meine Sonntagsfeier. Ich sammele und zünde in dieser Haltung meine Kerze an: ein Licht in der Sonne, Dank und Sehnsucht und Bitte.
Musik anmachen zum Hineinfinden in eine Zeit für Gott und die Welt und mich.
Vorschlag: Viva la vida
Eine Weile das Bild betrachten.
Der Frühling kommt, als wäre nichts. Der Weg deutet sich an. Aber es wird noch viel Wasser den Fluss entlangfließen, bis wir einmal sagen können: Damals. Weißt du noch, der Corona-Frühling. Später wird sich zeigen, was diese Zeit gebracht haben wird. Die Zukunft liegt auf der anderen Seite, wie jede Zukunft. So wie damals, als Jesus sich mit seinen Freundinnen und Freunden auf den Weg nach Jerusalem machte.
Das Evangelium lesen (aus Matthäus, Kapitel 21):
Als sie in die Nähe von Jerusalem kamen, gingen sie nach Betfage hinein, auf den Ölberg, und Jesus beauftragte zwei aus der Gruppe der Jüngerinnen und Jünger: „Geht in das Dorf vor euch. Ihr werdet dort gleich eine angebundene Eselin finden und ihr starkes Jungtier bei ihr. Bindet sie los und führt sie zu mir. Und wenn jemand etwas zu euch sagt, dann sagt, dass euer Lehrer sie braucht. Und sofort wird man sie ziehen lassen.“
Das aber ist geschehen, damit das Wort erfüllt wird, das durch den Propheten gesprochen wurde: Brich laut in Jubel aus, Tochter Zion! Schrei deine Freude heraus, Tochter Jerusalem! Sieh doch, dein König! Er kommt zu dir. Ins Recht gesetzt und gerettet ist er, ohne Besitz, voll Demut und reitet auf einem Esel, ja auf einem Grautier und dem Jungtier einer Eselin.
Die beiden gingen los und taten, wie Jesus es ihnen aufgetragen hatte. Sie führten die Eselin und das Jungtier herbei und breiteten Umhänge über sie aus, und er setzte sich auf sie. Die große Volksmenge breitete ihre Umhänge auf dem Weg aus, andere schlugen Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg.
Viele Menschen zogen ihm voran, andere folgten ihm und alle riefen laut: „Hilf doch, Nachkomme Davids! Gesegnet sei, der im Namen Gottes kommt! Hilf doch, Gott in den höchsten Himmeln!“
Und als er nach Jerusalem hineinkam, geriet die ganze Stadt in Aufregung und sagte: „Wer ist er?“ Die Menschenmenge sagte: „Er ist Jesus, der Prophet, aus Nazareth in Galiläa.“
Auslegung:
Wenn wir unsere Lebensgeschichte erzählen, dann ordnen wir die Dinge und bringen sie in Zusammenhang. Wir erzählen unsere Geschichte so, dass wir damit leben können.
Geschichten so erzählen, dass man damit leben kann: Das tun die ersten Jesus-Gläubigen auch. Darum gibt es zwei Ebenen in dieser biblischen Erzählung des Palmsonntags.
Die erste: Aus der Perspektive Jesu und seiner Jüngerinnen und Jünger, auf dem Weg nach Jerusalem. Die Geschichte ist nach vorne offen, niemand weiß, was geschehen wird. Jesus hatte die Botschaft von der verwandelnden Kraft Gottes gepredigt, Kranke geheilt, Brot mit den Menschen geteilt. Der Sturm der Angst war zur Ruhe gekommen auf dem See, und wer dabei gewesen war, hatte eine Ahnung davon bekommen, wie das sein könnte mit dem Leben in Fülle.
„Wer bin ich?“, fragt Jesus – fragt sich, fragt Gott, fragt die Menschen um sich herum. Du bist ein Prophet. Du verkündest Gott. Du – du könntest der Erwartete sein. Der Messias, Gottes Gesalbter. Der, der Gott zum Durchbruch verhelfen wird. Und so reift ein Entschluss: Wir gehen von Galiläa Richtung Süden, nach Jerusalem. Dort steht der Tempel, dort regiert der König, dort wird sich alles entscheiden. Ein Wendepunkt der Geschichte, und um ihm das eigene Vorzeichen zu geben, entscheidet Jesus, auf einem Esel zu reiten.
Ein Esel ist für uns heute ein ungewöhnliches, bescheidenes Reittier. Wer etwas auf sich hält, reitet, wenn überhaupt, dann zu Pferd. Das ist zur Zeit Jesu anders. Ein Esel ist ein durchaus angemessenes Reittier – nur Maultiere, also die Kreuzung aus Esel und Pferd, sind die Variante für die Armen und den Alltag. Auf einem Esel zu reiten, bedeutet: Hier kommt jemand von Stand, mit einem Anspruch – und in friedlicher Absicht. Mit Eseln zieht man nicht in den Krieg. In den Krieg zieht man mit Pferden. Ein Esel bedeutet: Hier kommt jemand, der nicht noch siegen muss, hier wird Friede sein. (Und natürlich reitet Jesus nicht auf einem Fohlen, sondern auf einem starken Jungtier.)
Jesus reitet nach Jerusalem, und noch weiß niemand, was geschehen wird. Die Spannung ist groß, die Hoffnungen auch. Wie wird es enden, was wird Gott tun, wie werden wir leben? Das ist die erste Ebene der Palmsonntags-Erzählung.
Und die zweite Ebene: Hier erzählen die Jesus-Gläubigen im Nachhinein ihre Geschichte. Ihre eigene, und die Geschichte Jesu. Sie erzählen von den Tagen der Entscheidung, wo sich alles zuspitzte, aber sie wissen beim Erzählen schon, was sie in den Tagen der Entscheidung noch nicht wussten: Das Unmögliche, das Undenkbare würde geschehen, Jesus würde sterben. Ausgerechnet er, ausgerechnet so.
Sie wissen: Die Welt hat einfach weitergemacht, als wäre nichts geschehen. Gott hat sich anders gezeigt. Auferstehung, das ist etwas anderes, etwas ganz anderes als das Erwartete. Die besiegte Liebe trägt weiter.
Und so erzählen sie die Geschichte im Rückblick, sie buchstabieren sie neu, sie verstehen die alten Prophetentexte als Folie, auf der sie das, was mit Jesus geschehen ist, einordnen können. Der Messias, der Gesalbte Gottes, kommt anders. Er ist kein Krieger. Gottes Fülle kommt auf leise, zerbrechliche und persönliche Weise. Der Messias ist jemand, der auf einem Esel ins Zentrum der Macht reitet, weil Gott so ganz anders wirkt. Das Zeichen wird in der rückblickenden Erzählung zum Vorzeichen. In der rückblickenden Deutung erschließt sich das Zeichen des Eselritts als ein Vorzeichen, das im Überschwang der Erwartung schon hinweist auf das bittere Ende – damit man mit dem bitteren Ende leben kann, damit nicht im Nachhinein alles sinnlos und vergeblich erscheint.
Wie werden wir später einmal von diesen Tagen und Wochen erzählen? Welchen Sinn werden wir ihnen geben? Wir bügeln den Schmerz und die Angst und die Einsamkeit und die Überforderung nicht einfach ab, wenn wir trotzdem uns vorzustellen versuchen: Was wird sich später einmal geändert haben? Wovon werden wir erzählen? Wie werden wir nach Corona leben?
Analog zuer Erfahrung der ersten Jesus-Gläubigen können wir schon ahnen: Hier kommt nicht ein großer Knall. Hier kommt etwas still und unerwartet. Solidarität vielleicht, Mitgefühl und Aufmerksamkeit füreinander. Wir können mehr als passiv hinnehmen, was gerade geschieht, wir können dem Großen unseren kleinen Stempel geben. Und später erst werden wir sehen, was daraus geworden ist, wenn wir unsere Geschichte so erzählen werden, dass wir damit leben können.
In Verbundenheit beten:
Wir geben dem Weltgeschehen unseren Stempel mit. Wir nehmen es in unseren Sonntag hinein, wir halten es Gott hin, wir wissen, dass wir dabei nicht alleine sind, und beten:
Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name
Dein Reich komme
Dein Wille geschehe
Wie im Himmel, so auf Erden
Unser tägliches Brot gib uns heute
Und vergib uns unsere Schuld
Wie auch wir vergeben unseren Schuldnern
Und führe uns nicht in Versuchung
Sondern erlöse uns von dem Bösen
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit
In Ewigkeit. Amen.
Zum Ausklang:
In die Kerze schauen.
Die Hände gegeneinander legen und die Berührung bewusst spüren: die Wärme der Handflächen, und die Sammlung, die sich einstellt. Ein- und ausatmen. Mit dem Atem andocken an eine große Ruhe, die diese Welt trotz allem umgibt, die uns trägt und die unsere Zukunft offenhält.
So lange es gut tut, in dieser Ruhe verweilen.
Dann die Hände langsam lösen. Mich bewusst von der gefühlten Ruhe verabschieden, vielleicht mit den Händen von oben nach unten über die Oberarme und den Körper streichen.
Abschließend beten:
Gott, bleibe bei mir, bleibe bei uns.
Behüte alle, die ich im Herzen trage, und bewahre unser Leben bei dir.
Amen.
Zum Ende:
Nochmal Musik spielen.
Vorschlag: Be thou my vision
Bleiben Sie gut behütet. Wenn Sie ein offenes Ohr brauchen, erreichen Sie mich unter 0172-2685162 oder bei facebook: gotteswort, weiblich