„Gebt den Frauen in der Kirche eine Stimme, sonst ist es bald still in der Kirche.“ Mit Aussagen wie diesen, geschrieben auf 400 individuell gestalteten Wimpeln, setzte der Diözesanverband Aachen der kfd (Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands) und die Aachener Frauenseelsorge am Donnerstagabend ein nicht übersehbares Zeichen für eine geschlechtergerechte Kirche. „Indem sie Wimpel eingeschickt haben, konnten sich viele Menschen an der Kette beteiligen, die wegen der aktuellen Lage nicht selbst zur Aktion kommen konnten“, erklärte Marie-Theres Jung, die Aachener kfd Diözesanvorsitzende. Die meisten Wimpel kommen aus dem Bistum Aachen, es gab aber auch Einsendungen aus dem ganzen Bundesgebiet und der Schweiz. Die Wimpelkette, im coronakonformen Abstand gehalten von etwa 120 Frauen und Männern, umschloss den Aachener Dom. Manche und Mancher reihte sich noch spontan ein. Damit „umarmten“ die Katholikinnen und Katholiken erneut die älteste Bischofskirche in Deutschland und erneuerten ihre Forderungen nach dem Zugang von Frauen zu allen Diensten und Ämtern, auch dem Weiheamt, in der katholischen Kirche.
„Die vielen Menschen, die trotz aller Einschränkungen gekommen sind oder eben stellvertretend einen Wimpel geschickt haben, haben noch Hoffnung für unsere Kirche“, so Dr. Annette Jantzen, Frauenseelsorgerin für die Region Aachen. „Trotz vieler Verletzungen halten sie daran fest, dass Veränderung hin zu mehr Gerechtigkeit in der Kirche möglich ist. Im Gebet am Donnerstag geben wir dieser Hoffnung einen Ausdruck vor Gott." Jung ergänzt: „Viele andere haben sich bereits resigniert abgewendet und die Kirche verlassen. Eine Kirche, die sich an ihre Machtstruktur klammert, nach Evangelisierung ruft, ohne diese zu leben, läuft ins Leere.“
Die Wimpelkette war Teil und diesjähriger Aachener Höhepunkt der Gebetsreihe „Schritt für Schritt“, die im Januar 2019 im Kloster Fahr entstanden ist. Im gleichnamigen Gebet heißt es unter anderem: „Frauen und Männer sind durch die eine Taufe gleich- und vollwertige Mitglieder der Kirche. Im Miteinander in allen Diensten und Ämtern können sie zu einer Kirche beitragen, die erneuert in die Zukunft geht.“ Es soll – ähnlich wie das Montagsgebet die Demokratiebewegung der DDR 1989 in Leipzig – den Epochenwandel in der katholischen Kirche begleiten. Zum Gebet kamen vor der Wimpelaktion 120 angemeldete Frauen und Männer im Dom zusammen. Viele weitere nahmen am zeitgleich stattfindenden Online-Gebet teil.
Jung gab sich kämpferisch: „Die Toleranzgrenze ist langsam ausgereizt. Wir haben mit der Wimpelkette erneut ein Zeichen für unsere Forderung nach einer geschlechtergerechten Kirche gesetzt. Gerade wird wieder eine Diskussion zu Leitungsämtern in der Kirche durch die Veröffentlichung der neuesten Vatikan-Vorgabe geführt. Diesmal möchten sich viele Bischöfe dieser Instruktion widersetzen. Ihnen müsste klar sein, dass sie sich genauso für das Weiheamt für Frauen einsetzen müssen, solange es noch engagierte Frauen in der Kirche gibt.“ Eine geschlechtergerechte Kirche wäre ein starkes Zeichen, dass Kirche umkehrfähig sein kann.
Nach der Umrundung des Doms wurde die Wimpelkette an das Gitter des Doms gehängt, damit die Botschaften für alle Amtsträger des Bistums für mehrere Tage nachlesbar bleiben.