“Ah, da bist du ja”, sag ich, als Gott am Abend in die Küche kommt. “Die Kartoffeln sind gerade fertig geworden.”
“Das hab ich mir gedacht”, sagt Gott, legt Jacke und Schal über eine Stuhllehne und lässt sich auf den Stuhl fallen.
Ich fülle die Bratkartoffeln auf zwei Teller, stelle Gott einen hin und setze mich auch.
“Danke”, sagt Gott.
Wir essen eine Weile schweigend.
“Ich wünschte, alles wäre so einfach wie Bratkartoffeln”, sag ich schließlich. “Beim Bratkartoffeln-Essen kann man keinen Krieg führen.”
“Eigentlich ist das alles ganz genau so einfach”, sagt Gott und spießt eine Kartoffel auf die Gabel. “Ich will keinen Krieg. Ich will, dass Leute es gut haben. Das ist eigentlich ziemlich Level eins.”
“Ja”, sag ich. “Eigentlich schon.”
“Und jetzt sind Männer im Krieg und Frauen auf der Flucht”, sagt Gott. “Erzähl mir nichts mehr von gesellschaftlichem Fortschritt, ey.” Gott spießt eine weitere Kartoffel auf.
“Und heute ist auch noch internationaler Frauentag”, sag ich. “Und ich hätte schon fast gedacht, den bräuchten wir bald nicht mehr.”
“Da hast du wohl falsch gedacht”, sagt Gott.
“Ja”, sag ich. “Warum bloß geht zurück immer schneller als vor?”
“Das mit der Gerechtigkeit fällt euch schwer, weil sie sich für die Stärkeren wie Verzicht anfühlt, glaub ich”, sagt Gott.
“Wir hören jetzt jeden Tag Nachrichten vom Krieg”, sag ich. “Und ich finde es so schlimm, zu wissen, was passiert, und so viele Leute sind dagegen, und es passiert trotzdem.”
“Und dabei machst dir noch gar keine Vorstellung”, sagt Gott und legt das Besteck beiseite. “Von der Angst und der Kälte. Und warum? Weil es geht.”
“Das du das aushältst, das alles”, sag ich.
“Dass die Leute das aushalten”, sagt Gott. “Ich versuche ja nur, da zu sein. Vor allem bei den Kindern.”
Wir schweigen wieder.
“Meinst du, es gibt Hoffnung für diese Welt?”, frag ich schließlich und stelle unsere Teller zusammen. “Und für die Leute, die eigentlich auch keinen Krieg führen wollen?”
“Ach mein Herzchen”, sagt Gott.
“Das ist vermutlich das Ding mit der Hoffnung, oder”, sag ich. “Dass ich dich nur fragen kann und keine Antwort krieg.”
“Ja”, sagt Gott.
“Aber es gibt doch Hoffnung, oder?”, frag ich.
“Ich wünsch es euch sehr”, sagt Gott. “Aber meine Wege sind auch nicht eure Wege.”
“Das klingt trotzdem irgendwie tröstlich”, sag ich.
“Ja, find ich auch”, sagt Gott. “Vor allem, wenn ich euch zugucke und denke, Heimatland, nicht schon wieder. Dann erinner ich mich daran, dass ihr ja nur eure Wege seht.”
“Das macht es nicht unbedingt besser”, sag ich.
“Nein”, sagt Gott. “Aber ich seh euch, und ich lass euch nicht.”
Gott greift nach der Jacke und dem Schal.
“Ich muss weiter”, sagt Gott.
“Ja, ich weiß”, sag ich. “Und wenn wir nachher für die Frauen in der Ukraine beten, dann treffen wir uns dabei, oder? Weil du sie in deiner Hand hältst. Auch wenn die Kälte davon nicht weggeht und die Angst auch nicht.”
“Ja”, sagt Gott. “Bis dahin. Danke.”
“Danke, dass du da warst”, sag ich. “Und Amen.”
Annette Jantzen
Geschrieben für den Gottesdienst mit der kfd Kornelimünster am Weltfrauentag. Das Zitat "Meine Wege sind nicht eure Wege" war Teil des Lesungstextes, Jesaja 55.