Benedikt XVI. und der Ordensgründer

Impuls für März von P. Athanasius v. Wedon OMI, Nikolauskloster Jüchen

P. Athanasius v. Wedon OMI (c) privat
P. Athanasius v. Wedon OMI
Datum:
Do. 23. Feb. 2023
Von:
Ordensbüro

Ein Tischgespräch im Bischofshaus von Marseille bei Soupe au Pistou und Fisch á la Provence. Papst Benedikt XVI. weilt auf Besuch in Marseille.

Der Gastgeber, der Hl. Eugen von Mazenod, Gründer der Missionare Oblaten der Makellosen Jungfrau Maria (OMI) und Bischof von Marseille, steigt ohne große Umschweife gleich in sein Thema ein: „Die Kirche der Armen“. Der feurige Südfranzose konfrontiert Papst Benedikt mit dem vernichtenden Urteil des brasilianischen Befreiungstheologen Leonardo Boff (84), wonach Benedikt XVI. sich „als Feind der Freunde der Armen“ erwiesen habe. Dieser Vorwurf habe auch den letzten seiner Oblaten aus dem Schlaf gerissen. „Sind wir Oblaten nicht Freunde der Armen oder wollen es zumindest sein? Sind wir als Freunde der Armen tatsächlich Feinde des deutschen Papstes Benedikt oder sind wir gar Feinde der Armen selbst?

Wie einseitig diese Sichtweise Boffs ist, erschließt sich nur demjenigen, der die Mühe auf sich nimmt, die Schriften Benedikt XVI. sorgfältig zu studieren. Die Presselandschaft und die universitäre Theologie in Deutschland befeuern nämlich seit Jahrzehnten das einseitige Bild des Professors, Kardinals und Papstes Benedikt XVI. / Josef Ratzinger als erzkonservativen Theologen, wogegen Papst Franziskus als Lichtgestalt aus der Finsternis des Mittelalters seines Vorgängers hervorgegangen sei. Inzwischen ist auch Papst Franziskus bei deutschen Theologen in Ungnade gefallen, weil er den Forderungen des „Synodalen Wegs“ in Deutschland nicht mit Hurra und Helau nachkommt. Wie sein Nachfolger, Franziskus, spricht Benedikt von einer armen Kirche: „Um ihrem eigentlichen Auftrag zu genügen, muss die Kirche immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von […] ihrer Verweltlichung zu lösen und wieder offen auf Gott hin zu werden…damit ihr missionarisches Handeln wieder glaubhaft“ wird. Wer verstehen will, was Joseph Ratzinger mit „Entweltlichung der Kirche“ meint, kommt an seiner Freiburger Rede vom 25. September 2011 nicht vorbei. Hier spricht Benedikt über die Sendung der Kirche, ihren Auftrag in unserer Zeit. Ratzinger fordert eine inkarnatorische Kirche, die „sich immer neu den Sorgen der Welt [öffnet], zu der sie ja selber gehört“, weil sie Teil der „Hinwendung des Erlösers“ an die Welt ist. Sich „immer wieder neu den Sorgen der Welt zu öffnen“, wie Benedikt sagt, verlangt nach neuen Ideen und Strategien.

In diesem Punkt sind sich Papst Benedikt und der Hl. Eugen schon mal einig. Der Gastgeber geleitet den betagten Papst an den mit edlem Veuve Perrin-Porzellan gedeckten Kaffeetisch. Das Service hatte Bischof Eugen noch schnell von seiner vornehmen Verwandtschaft, dem Marquis Dedons de Pierrefeu, ausgeliehen. Beide Herren erörtern noch Fragen zur Liturgie; vom Rücktritt Benedikts war noch nicht die Rede.

Benedikts Motu proprio Summorum Pontificum, in dem er der Kirche und vor allem einer Generation, die inmitten liturgischer Verwirrungen aufwächst, den bleibenden Schatz eines authentischen und würdigen Gottesdienstes erschloss, solle zumindest nachdenklich stimmen, ereifert sich der Bischof von Marseille.

Der Rücktritt Benedikts im Jahr 2013 schien dann nicht zu seiner Theologie zu passen. Benedikt war sich der Tragweite dieser Tatsache sicherlich bewusst. Er war sich auch bewusst, dass er damit dem Papsttum den Glanz genommen hatte. Ist sein theologisches Konzept an diesem Punkt gescheitert, oder ist dadurch sein Selbstverständnis als bescheidener Arbeiter im Weinberg des Herrn noch viel mehr in den Vordergrund getreten? Das wird sich im Laufe der Geschichte noch zeigen.

P. Athanasius Wedon OMI