Der Lohn ist ein „Danke“

Dominique Verheugen und Elfriede Bergstedt helfen ehrenamtlich bei den Aachener Franziskanerinnen

Dominique Nachricht (c) Kathrin Albrecht
Dominique Nachricht
Datum:
Di. 25. Juli 2017
Von:
Kathrin Albrecht
Mehr als 40 Prozent der Deutschen über 14 Jahren engagieren sich ehrenamtlich. Das stellte der vierte Freiwilligensurvey der Bundesregierung 2016 fest.
Dominique Quadrat (c) Kathrin Albrecht
Dominique Quadrat

Auch im Bistum Aachen würden viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ohne Ehrenamt nicht funktionieren, wie zum Beispiel in der Flüchtlingsarbeit oder in der Arbeit mit Menschen in Not. Zwei Frauen, die in der Franziska-Schervier-Stube in Aachen helfen, erzählen, warum sie das tun.

Es ist kurz vor Elf, der große Schwung ist schon durch, doch noch immer sind viele Tische in der Franziska-Schervier-Stube besetzt. Für Menschen ohne festen Wohnsitz oder Arbeit, Suchtkranke und Vereinsamte ist das Angebot im Mutterhaus der Aachener Franziskanerinnen im Herzen der Domstadt eine wichtige Anlaufstelle. Für kleines Geld können sich die Gäste hier aufwärmen, frühstücken, auch ihre Wäsche waschen. An diesem Morgen hat Dominique Verheugen Thekendienst. Sie schenkt den Kaffee aus. „Darf es für Sie auch noch eine Tasse Kaffee sein?“ – der Mann nickt, schiebt ihr seine Tasse hin und erhält sie kurz darauf gefüllt zurück. Die 19-Jährige besuchte die Pater-Damian-Schule in Eupen, hat vor kurzem ihren Abschluss gemacht. Im Rahmen der Besinnungstage der Schule lernte Dominique die Aachener Franziskanerinnen und auch die Schervier-Stube kennen. Auf der Suche nach einem Praktikumsplatz fiel ihr die Einrichtung wieder ein. „Ich habe mich beim Vorstellungsgespräch direkt wohlgefühlt“, erzählt sie. Und bald ging ihr Engagement über das Praktikum hinaus. „Sie ist länger geblieben und packte kräftig mit an“, berichtet Schwester M. Veronika Stolze SPSF, die die Franziska-Schervier-Stube leitet.

 

Krass zu hören, was Gäste aus ihrem Leben erzählen

„Es ist ein interessantes soziales Feld“, antwortet Dominique auf die Frage, was sie an ihrer Arbeit spannend findet. „Man kommt hier mit ganz verschiedenen Menschen zusammen.“ Dominique half auch dabei, Spielenachmittage für Gäste zu organisieren. Der Moment, in dem sich die Gäste öffneten, aus ihrem Leben erzählten, war für sie sehr bewegend. „Das ist zum Teil richtig krass zu hören, im Gegensatz dazu haben wir es richtig gut.“ Im August beginnt sie ihre Ausbildung – sie hat sich doch nicht für ein Studium entschieden, stattdessen möchte sie Hotelfachfrau werden. Dafür wechselt sie nach Nürnberg. „Ich möchte aber auf jeden Fall in Kontakt mit der Schervier-Stube bleiben, mir liegt die Einrichtung sehr am Herzen“ sagt Dominique. Die Wäschekammer ist das Reich von Elfriede Bergstedt. Die 68-Jährige engagiert sich seit zehn Jahren ehrenamtlich. „Zuerst habe ich oben beim Frühstück geholfen“, erzählt sie. Oft ist sie dafür direkt nach der Nachtwache im Altenpflegeheim am Lindenpatz in das Mutterhaus der Aachener Franziskanerinnen gekommen. Weil es seit einer Operation vor zwei Jahren mit dem Laufen nicht mehr so gut geht, wechselte sie in die Wäschekammer. Hier sortiert sie die Kleiderspenden und gibt die Kleidungsstücke bei Bedarf an die Gäste weiter.

 

„Wenn du Not hast, ruf an“

„Ich komme gerne hierher“, sagt sie schlicht. Auch, als sie zuhause noch ihren kranken Mann pflegte, ist sie gekommen. „Ich sage immer zu Schwester Veronika: ,Wenn du Not hast, ruf an‘“. Elfriede Bergstedt gefällt die gute Gemeinschaft, auch unter den ehrenamtlich Engagierten. Sie erinnert sich gerne an die gemeinsamen Ausflüge und Feiern: „Ich habe alle Weihnachten hier erlebt.“ Und ihr gefällt der Kontakt mit den Gästen, an denen wir meistens, wenn wir sie auf der Straße sehen, achtlos vorbeigehen. „Als ich meine OP hatte, haben sich einige erkundigt, wie es mir geht, als ich wiedergekommen bin“, erzählt sie. Wie Dominique berühren auch Elfriede Bergstedt die Lebensgeschichten, von denen sie im Gespräch mit den Gästen erfährt. Gleichzeitig sind beide Frauen beeindruckt von der Offenheit und Liebenswürdigkeit der Gäste. Im Umgang miteinander gibt es klare Regeln. „Unsere Gäste haben ein feines Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen und kommen sich auch entschuldigen, wenn es mal Streit gab,“ schildert Schwester Veronika ihre Beobachtungen. Für viele, weiß Elfriede Bergstedt, sei es auch nicht leicht, zum Frühstück oder in die Wäschestube zu kommen: „Da muss man sich schon überwinden.“ Und sie erinnert sich schmunzelnd daran, von einer Nachbarin „erwischt“ worden zu sein, als sie morgen unterwegs zu ihrem Einsatz war. „Sie hat mich durch das Tor gehen sehen und gefragt, ob ich Hilfe bräuchte.“

Eine sowohl für die Ehrenamtlichen wie auch für die Gäste schwierige Zeit sind typische Familienfeste wie Weihnachten oder Ostern. Gerade dann werden sich viele ihrer Einsamkeit bewusst. Es sind gerade solche Feste, an denen neue Gäste die Franziska-Schervier-Stube aufsuchen. Zu Nikolaus organisiert die Stube eine Feier mit der Domsingschule. „Da werden bei vielen Erinnerungen wach und viele können die Lieder auswendig mitsingen“, erzählt Elfriede Bergstedt. Die Gespräche mit den Gästen, die Worte des Dankes oder einfach nur ein Lächeln, das alles ist für die beiden wie eine kleine Belohnung. „Man merkt, dass es ihnen für einen Moment besser geht, sagt Elfriede Bergstedt. Das lässt sie wiederkommen, so lange sie kann.

Elfriede Quadrat (c) Kathrin Albrecht