Impuls für Mai 2023
In diesem Jahr feiert die Franziskanische Familie zwei Jubiläen:
Die Regelbestätigung durch den Papst und die Krippenfeier des Hl. Franziskus in Greccio, beides 1223.
Das Staunen über die Menschwerdung Gottes und das immer neue Ausbuchstabieren dessen, was Inkarnation im eigenen Leben bedeuten kann hat Franziskus geprägt.
In seinem „1. Brief an die Gläubigen“ (BrGl I,1) schreibt Franziskus:
Im Namen des Herrn: Alle, die den Herrn lieben aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und ganzem Sinnen, aus ganzer Kraft und ihre Nächsten lieben wie sich selbst …
O wie selig und gesegnet sind jene Männer und Frauen, die solches tun und darin ausharren, denn auf ihnen wird der Geist des Herrn ruhen, und er wird sich bei ihnen eine Wohnung und Bleibe schaffen, und sie sind Kinder des himmlischen Vaters, dessen Werke sie tun, und sie sind Verlobte , Geschwister und Mütter unseres Herrn Jesus Christus.
Verlobte sind wir, wenn die gläubige Seele durch den Heiligen Geist unserem Herrn Jesus Christus verbunden wird.
Geschwister sind wir ihm, wenn wir den Willen des Vaters tun, der im Himmel ist;
Mütter sind wir, wenn wir ihn durch die göttliche Liebe und ein reines und lauteres Gewissen in unserem Herzen und Leibe tragen; wir gebären ihn durch ein heiliges Wirken, das anderen als Vorbild leuchten soll.
Franziskus gibt hier geistliche Hinweise für Menschen, die von seiner Spiritualität angezogen sind, aber nicht in eine Ordensgemeinschaft eintreten wollen oder können.
In dem zitierten Abschnitt beschreibt er, wie wir in das Leben des Dreifaltigen Gottes hineingenommen sind. Und er überschlägt sich fast in den Begriffen, mit denen er die Beziehung zu Jesus Christus fasst:
Verlobte, Geschwister, Mütter Christi sind wir – Beziehungsbeschreibungen, die ein Mensch gleichzeitig gar nicht erfüllen kann. Ich kann nicht gleichzeitig Verlobte, Schwester und Mutter sein. Aber es geht Franziskus nicht um Logik, sondern um Liebe. Um die Liebe, die Gott uns schenkt und zu der er uns einlädt.
Das Bild „Mutter Christi sein“ erinnert an die Gottesgeburt im eigenen Herzen, wie wir sie bei den Mystikern, etwa Meister Eckhardt oder Angelus Silesius, finden.
Es kann uns nicht nur an Weihnachten, sondern auch im Monat Mai einladen zur Meditation, zum Schauen auf Maria, die Gott in ihrem „Herzen und Leibe“ getragen hat. Sie will uns Vorbild sein, von der wir lernen können, Gott in uns Raum zu geben, Ihm in unserer Mitte einen Platz frei zu halten.
Vielleicht müssen wir dafür den Platz in uns zuerst wieder frei räumen, von dem, was ihn besetzen will – äußere Ansprüche und Verlockungen, aber auch innere Besetzer und Antreiber. Und ganz sicher müssen wir den innersten Platz in uns auch immer wieder frei räumen von unserem „raumsüchtigen“ Ego – damit unser eigentliches Selbst, der Christus in uns, sich entfalten kann.
Schw. Juliane Maria Feithen SPSF