Heiligkeit hat zuerst etwas mit der Art zu tun, wie ich auf die Welt schaue. Es gibt eine Art, auf die Welt zu schauen, die sich mit den sichtbaren Dingen zufrieden gibt. Dann gibt es eine Sicht auf die Welt, die hinter den sichtbaren Dingen noch etwas anderes wahrnimmt, z.B. hinter der Natur sehen diese Menschen einen Schöpfer, der uns diese Welt geschenkt hat. Wir Christen glauben, dass dieser Gott ein Gott ist, der uns Menschen liebt und will, dass wir gut miteinander leben und umgehen. Sie vertrauen auf das Wort Jesu: "Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben" (Joh 10, 10).
Manche Menschen bekommen diese Sicht der Welt schon in der Kindheit vermittelt, andere kommen ihr erst später auf die Spur, indem sie die "Brille des Glaubens" aufsetzen und manches anders und klarer sehen lernen.
Und diese neue Sicht der Welt lässt sie dann zweierlei erkennen, zunächst die Liebe Gottes zur Welt und uns Menschen und seinen Willen, dass es uns miteinander gut geht, dann aber auch, dass die Welt in vielen Dingen noch nicht diesem Willen Gottes entspricht, dass viele Menschen noch nicht ein gutes Leben, ein Leben in Fülle, führen können. Die "Brille des Glaubens" hilft ihnen dann auch, Wege zu sehen, diese Situation zu ändern.
So hat es auch Clara Fey gemacht. Die "Brille des Glaubens" ließ sie deutlich die gesellschaftlichen Missstände des Frühkapitalismus in Aachen erkennen. Sie half ihr aber auch, den Weg zu erkennen, mit ihren Kräften dabei zu helfen, dass Menschen - bei ihr waren es besonders die Kinder - wieder an die Liebe Gottes glauben konnten.
Die Feier der Seligsprechung von Clara Fey ist für uns die Einladung, diesem Geheimnis der Heiligkeit auf die Spur zu kommen. Es ist die Einladung an uns, auch einmal mit der "Brille des Glaubens" auf unsere Welt zu schauen, wie sie ist, wie Gott sie sich wünschen würde, und was wir mit unseren Kräften tun können, dabei mitzuhelfen, dass Menschen an die Liebe Gottes glauben können.
P. Bernd Schmitz CO