Fahrradpanne!

Impuls für Mai von Sr. M. Dolores Haas SPSF, Aachen

Sr. M. Dolores Haas SPSF (c) Andreas Steindl
Sr. M. Dolores Haas SPSF
Datum:
Do. 29. Apr. 2021
Von:
Ordensbüro

Ich möchte ihnen von einem Ferienerlebnis mit großer Nachhaltigkeit schreiben.
Vor längerer Zeit machte ich mich allein mit einem geliehenen Fahrrad auf Tour durch das Hohe Venn.

 

Ich genoss die herrliche Landschaft und fuhr sehr weit ins Venn, bis ich durch einen Platten des Hinterrades nicht weiterkam. Der Versuch Luft aufzupumpen brachte nicht viel, denn sie entwich genauso schnell wieder. Da stand ich mit meinem Rad und das Beste war, ich hatte kein Flickzeug dabei. Wie heißt es doch: Wer sein Rad liebt, der schiebt! Ärgerlich, denn vor mir lag noch ein weiter Weg zur nächsten Ortschaft und es dunkelte bereits. Handy hatte ich zu der Zeit keines, so konnte ich noch nicht mal meinen in der Nähe wohnenden Bruder anrufen, ihm sagen, dass ich erst am späten Abend ankommen würde. Bereits nach kurzer Zeit kamen mir zwei Radfahrer entgegen, die hatten wohl schon aus der Ferne erkannt, warum ich neben meinem Fahrrad lief. Sie stellte ihre Räder ab und boten mir ihre tatkräftige Hilfe an. Während der eine das Rad fachmännisch demontierte und den Schlauch herausnahm, erklärte mir der andere die Vorgehensweise und so erhielt ich noch einen kostenlosen Crashkurs im Reifenflicken. Im Handumdrehen hatten sie das Loch im Schlauch entdeckt und einen Flicken aufgesetzt. Mit einigen letzten Handgriffen wurde der Schlauch in den Mantel gelegt, dann setzten sie das Rad gerade in die Gabel, zogen die Radmuttern fest an und drehten das Fahrrad wieder um, mit der Bemerkung: „Schwester, jetzt wissen sie, wie man einen Reifen flickt, doch es wäre gut in Zukunft Flickzeug mitzunehmen.“ Ich dankte den Männern für die unkomplizierte Hilfe, woraufhin einer meinte: „Für uns als Fahrradfahrer ist es selbstverständlich, andern zu helfen, wenn sie mit dem Rad auf der Strecke liegen bleiben.“

Ich brauche nicht zu schreiben, wie glücklich ich über diese beiden Radfahrer war, die in aller Selbstverständlichkeit ihre Tour unterbrachen, sich Zeit nahmen und unaufgefordert mein Fahrrad flickten. Sie hätten auch denken können: Selber schuld, soll sie doch sehen, wie sie weiterkommt. Mitten im Venn treffe ich auf zwei Menschen, die nicht vorbeisahen, die zupacken und ihr technisches Know-how einsetzen, damit ich weiterkomme. Eine gute Erfahrung von Mitmenschlichkeit. Bis heute denke ich oft an diese beiden Helfer, die so unkompliziert zupackten und dann wieder ihres Weges weiterfuhren.

Manchmal werden wir auf unserem Lebensweg von einem „Platten“ - nicht nur Fahrradplatten – überrascht. Oder wir begegnen Menschen, die auf den „Felgen“ fahren, die ausgelaugt sind, die nicht mehr weiterkommen. Dann heißt es Hilfe annehmen oder auch solche anbieten.

Wir durchleben gerade eine schwierige Zeit, die uns allen zu schaffen macht. Eine Zeit, die uns jedoch auch einladen kann einmal nachzudenken, uns zu fragen: Fahre ich bereits auf den Felgen? Lebt neben mir jemand, der nicht mehr weiterkommt, weil er einen „Platten“ hat? Vielleicht können wir diese Zeit nutzen, um neu aufzupumpen – damit die eigene Seele und die Seele anderer - nachkommen kann und uns nicht die Luft ausgeht.

Ich wünsche allen Lesern und Leserinnen glückliche Erfahrungen beim „Plattenflicken“.

Sr. M. Dolores Haas SPSF