Ferien - frei werden von der Tretmühle des Alltags

Impuls für August von Sr. Martina Kohler SSpS, Eschweiler

Sr. Martina 23.10.2019 (4) (c) privat
Sr. Martina 23.10.2019 (4)
Datum:
Di. 21. Juli 2020
Von:
Ordensbüro

In diesem Jahr durfte ich wieder einmal Exerzitien machen an einem Ort, der mir seit Jahren sehr lieb geworden ist: im Haus der Stille der Jesusbruderschaft in Gnadenthal bei Limburg (Taunus). Gnadenthal, ursprünglich ein altes Zisterzienserinnenkloster, ist ein lebendiger Ort der Begegnung, der Gemeinschaft und des Glaubens. Jung und Alt, ledig und verheiratet, mit und ohne Kinder – hier teilen Menschen mit unterschiedlichen kirchlichen und familiären Hintergründen ihr Leben, verbunden im Glauben an Jesus Christus.

Als ökumenische Gemeinschaft von Schwestern, Brüdern, Familien usw. sehen sie es als ihre Berufung an, für die Einheit des Volkes Gottes zu leben und zu beten. „Versöhnte Vielfalt“ ist das Motto, das die Mitglieder zusammenhält. Ein wesentliches Element sind die täglichen Gebetszeiten, meist mit berührenden mehrstimmigen Gesängen. Besonders beeindruckt mich immer die Liturgiefeier am Freitagabend mit der „Begrüßung des Shabbat“, angelehnt an die jüdischen Gebete zum Sabbatbeginn. In der Einleitung zu diesem Gebet heißt es: „Wenn die Sonne untergegangen ist, wird in den Häusern das Licht entzündet. Ein Glanz liegt über Jerusalem und Israel. Ein Volk ruht. Es feiert den Ruhetag als Krönung der Woche, als Krönung und Ziel der ganzen Schöpfung.“

Auch wir dürfen in diesen Sommerwochen so etwas wie „Sabbat“ erleben – Zeit zur Erholung, zum Ausspannen, Zeit für die schönen Dinge des Lebens, um Kraft zu tanken für die Zeit danach. Ohne Unterbrechungen und Zwischenräume würden wir von der täglichen Routine erdrückt und von vielerlei Alltagssorgen aufgesaugt. Meist merken wir, dass im Urlaub in den ersten Tagen noch alle Gedanken um die Arbeit und den Alltag kreisen. Erst allmählich gelingt es uns, die Freiheit von der Tretmühle des Alltags zu genießen, das Hasten und Hetzen hinter uns zu lassen, zur Ruhe zu kommen und vielleicht das Staunen wieder zu lernen. Neue Eindrücke können unseren Horizont erweitern und uns begeistern, unbekannte Orte erzählen von der Schönheit der Schöpfung. Begegnungen können uns gut tun und bereichern. Im Ausruhen und Abschalten erfahren wir neue Lebenskraft.

Reisen – soweit es in diesen Corona-Zeiten möglich ist – eröffnet darüber hinaus neue Räume, lässt uns erfahren, dass das Leben nicht festgelegt ist auf den Tellerrand des eigenen Alltags. Beim Reisen merken wir, dass die Welt bunt ist und das Leben viele Spielräume bietet - für jeden von uns. Beim Reisen erfahren wir, was im Alltag in der Regel nicht sichtbar ist: nämlich, dass das Leben auch ganz anders sein könnte, dass es mehr Wege gibt als nur die allzu vertrauen Alltagswege. Reisen hat auch mit Genießen zu tun: wahrnehmen, staunen, nicht unbedingt weitereilen müssen. Den Augenblick sehen, sich über das Schöne freuen. In diesem Sinne wünsche ich uns allen, die in diesen Wochen Urlaub haben, erholsame Tage, in denen sich unsere erschöpften Batterien wieder aufladen mit neuer Kreativität und Lebenslust.

Zur Anregung noch ein kleiner Text von Dorothee Sölle über die tiefe Bedeutung des Sabbats als Unterbrechung (auch wenn wir die Urlaubszeit zu Hause verbringen sollten):

… du sollst dich selbst unterbrechen.
Zwischen Arbeiten und Konsumieren
soll Stille sein und Freude,
zwischen Aufräumen und Vorbereiten
sollst du es in dir singen hören,
Gottes altes Lied von den sechs Tagen
und dem einen, der anders ist.

Zwischen Wegschaffen und Vorplanen
sollst du dich erinnern
an diesen ersten Morgen,
deinen und aller Anfang,
als die Sonne aufging
ohne Zweck
und du nicht berechnet wurdest
in der Zeit, die niemandem gehört
außer
dem Ewigen.

von Dorothee Sölle