Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein: Der Angriffskrieg auf die Ukraine, der Überfall der Hamas auf Israel und dessen Antwort darauf, die vielen anderen Kriegs- und Krisennachrichten aus aller Welt; dazu kommen die Streitigkeiten in der Politik und auch in der Kirche, das Erstarken von Autokraten in aller Welt, das Auseinander-Driften der Gesellschaft, das Erstarken der politischen Extreme ...
"Und Frieden auf Erden" - seitdem die Engel diese Botschaft in die Nacht hinaus sangen, scheint die Welt nicht friedlicher geworden zu sein. Und das betrifft nicht nur Politik und Gesellschaft, sondern auch das persönliche Leben. Da gibt es auch viel Zank und Streit, viel Hinterhältigkeit und Übervorteilung.
Haben die Engel umsonst gesungen, ist ihr Lied auf taube Ohren gestoßen? Vielleicht - vielleicht aber müssen wir auch unsere Erwartungen überprüfen. Eine Geschichte kann uns dabei helfen:
Ein junger Mann hatte einen Traum. Er betrat einen Laden. Hinter der Ladentheke sah er einen Engel stehen. Hastig fragte er den Engel: „Was verkaufen Sie, mein Herr?" Der Engel gab freundlich zur Antwort: „Alles, was Sie wollen." Da fing der junge Mann sofort an zu bestellen.
„Dann hätte ich gern: eine demokratische Regierung für alle Länder, das Ende aller Kriege und des Terrors in der Welt, bessere Bedingungen für die Randgruppen der Gesellschaft, Beseitigung der Elendsviertel in Lateinamerika, und…" Da fiel ihm der Engel ins Wort und sagte: „Entschuldigen Sie, junger Mann, Sie haben mich verkehrt verstanden.
Wir verkaufen hier keine Früchte, wir verkaufen nur den Samen." (nach W. Hoffsümmer)
Jesus wird als Erwachsener das Reich Gottes mit einem Samenkorn vergleichen, "das ein Mann in seinem Garten in die Erde steckte; es wuchs und wurde zu einem Baum und die Vögel des Himmels nisteten in seinen Zweigen" (Lukas 13, 19). Jesus vertraut darauf, dass aus kleinen Anfängen durch Gottes Kraft Großes werden kann.
Der Friede wird uns nicht wie reifes Obst in den Schoß fallen. Wenn wir ihn ernten wollen, müssen wir - um im Bild zu bleiben - den Samen, den uns die Heilige Nacht in die Hand gelegt hat, in den Boden unseres Lebens säen und ihn umsorgen, damit er wächst.
Wir können zwar nicht die große Weltgeschichte beeinflussen. Hier können wir dafür beten, dass Gott die Herzen der Mächtigen aufbricht für Gedanken des Friedens.
Wir können jedoch in unserem Herzen und im persönlichen Umfeld anfangen mit dem Frieden: nicht immer das letzte Wort haben wollen, nicht immer die erste Geige spielen wollen, die Hand zur Versöhnung nicht verweigern, Gleiches nicht mit Gleichem vergelten zu wollen, das Böse nicht nachzutragen, dankbar zu sein füreinander, mich nicht am Geschwätz über andere beteiligen ...
„Was können wir schon groß verändern?" mag mancher fragen.
Hier vorne steht das Friedenslicht. Von einem Kind in der Geburtsgrotte von Bethlehem angezündet, hat es sich in ganz Europa verteilt und ist zu einem Lichtermeer geworden. So kann auch unser Bemühen um Frieden, das in unseren Herzen beginnt, Kreise ziehen.
Voraussetzung dafür ist, das wir nicht unser eigenes, kleines Licht in den Vordergrund stellen, sondern uns dem "Licht zur Erleuchtung der Heiden" öffnen und uns von seiner Kraft "befeuern" lassen, dass wir wie Simeon feststehen in der Hoffnung, die Rettung kommt nicht von uns, sondern von Gott, und dass wir dem Heiligen Geist, der seit der Taufe auch auf uns ruht, Spielraum in unserem Leben gewähren.
Dann kann Gott auch durch uns Großes bewirken.
Mutter Teresa hat es einmal so formuliert: „Was wir tun, ist nur ein Tropfen in einem Ozean. Aber ohne unsere Arbeit wäre der Ozean um diesen Tropfen ärmer."
P. Bernd Schmitz CO