„Die erste Beerdigung, die ich im Kloster Neuwerk erlebte, war ein echter Kulturschock!
Nach der Verabschiedung im Kreis der Mitschwestern wurde der Sarg vom Bestattungsinstitut abgeholt. Nach der Vesper und dem Abendessen gingen alle auf ihre Zimmer – es war wie immer, obwohl doch eine Mitschwester gestorben war! Das ist bei uns im Kongo ganz anders.“ Das erste Erlebnis nach der Ankunft im Jahr 2017 hat sich tief eingeprägt bei Sr. Alphonsine. Inzwischen sind viele neue Erfahrungen hinzugekommen.
Auch wenn wir das Zusammenleben in der Neuwerker Gemeinschaft mit großen Lettern und mit Interkulturalität überschreiben ist damit nicht gemeint, dass es ein neues vielleicht sogar effizienteres Modell ist, unsere Internationalität zu gestalten. Es verlangt von allen eine große Offenheit und die Sensibilität, die ‚Sprache des Herzens‘ zu verstehen.
Es treffen Kulturen, Verhaltensweisen und Traditionen aufeinander. Das eröffnet Möglichkeiten in der Begegnung und Chancen, um im miteinander und voneinander zu lernen. Zum Lernen sind seit einigen Jahren Salvatorianerinnen aus Sri Lanka, der DR Kongo und zuletzt aus Tansania und Indien in Neuwerk. Der Weg nach Deutschland ist kein Sprint, eher ein Marathon: Die deutsche Sprache ist dabei die erste Hürde. Eine weitere ist das oft aufwändige Verfahren, um ein Visum und schließlich eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Noch schwieriger ist die Anerkennung einer im Heimatland erworbenen beruflichen Qualifikation. Das braucht Geduld und einen langen Atem…
Die ersten haben es geschafft: Sr. Theepa und Sr. Quinta aus Sri Lanka, Sr. Alphonsine aus dem Kongo arbeiten als Pflegefachfrauen im Krankenhaus in Neuwerk. Sr. Marie Gertrude und Sr. Isabelle, ebenfalls aus dem Kongo, absolvieren ihre Ausbildungen zur Pflegefachfrau bzw. Radiologieassistentin. Sr. Grace, Tansania und Sr. Chinnu, Indien, werden nach dem Sprachkurs im Krankenhaus und im Missionsbüro mitarbeiten.
Was sie hier lernen, ihre beruflichen Erfahrungen, sollen sie später einmal in ihrer Heimat einsetzen.
Was sie in Deutschland verdienen, hilft, die berufliche Ausbildung sowie die Versorgung der kranken und altgewordenen Mitschwestern in der Heimatregion zu finanzieren.
Die ausländischen Schwestern verjüngen und bereichern auch zahlenmäßig die zunehmend älterwerdende Gemeinschaft.
So gesehen ist es eine win-win Situation, die aber von allen Beteiligten viel fordert: Unvoreingenommenheit, Fähigkeit, kulturelle Unterschiede zu akzeptieren, Höflichkeit, Freundlichkeit, Diplomatie; Geduld und Toleranz…
„Ich habe viel über mich selbst gelernt und verstehe heute schon etwas besser die Eigenarten der anderen, ihre Wahrnehmungsweise, ihre Glaubensvorstellungen, ihr Verhalten“ bekräftigt Sr. Alphonsine.
Doch manchmal ist die Sehnsucht nach der Heimat übergroß – trotz aller Technik und Möglichkeiten sich über soziale Medien auszutauschen mit Familie, Mitschwestern, trotz des selbstgekochten Essens, trotz Musik und Tanz.
„Der Glaube trägt und gibt Halt, die wertvolle und sinnstiftende die Arbeit, der Einsatz für die Menschen und viele Begegnungen außerhalb des Klosters,“ sagt Sr. Theepa. Und dann gibt es die Momente, in denen etwas zu spüren ist vom Pfingstwunder, wenn sich aus ganz verschiedenen Kulturen und Sprachen in der Kommunikation und im Alltag, im Dialog des Lebens, plötzlich neue Perspektiven auftun, die früher nicht da waren!
Ursula Schulten (für Salvator 2-2024)
01.08.2024