Prokrastinieren kann ich ...

Impuls für Mai von Sr. Angela Cöppicus SDS, Mönchengladbach

Blumen am Wegrand (c) Sr. Angela Cöppicus SDS
Blumen am Wegrand
Datum:
Do. 25. Apr. 2024
Von:
Ordensbüro

Seit Wochen steht auf meiner ToDo-Liste: „Impuls für Mai schreiben“. Und wenn ich auch immer wieder an vielen mir zugeschriebenen Fähigkeiten zweifle: prokrastinieren kann ich.

Angela_Coeppicus (c) privat
Angela_Coeppicus

Das ärgert mich. Klar. Es war wie immer viel anderes zu tun. Doch einiges von der kostbaren Zeit habe ich auch verplempert. Jetzt aber ran. Vielleicht ist dies ein guter Anfang für den Impuls. Einen passenden Bibelvers zum Thema „Aufschieben“ könnte ich bestimmt finden.

Ich bleibe aber am „Verplempern“ hängen. Dieses Bild kenne ich aus Stillen Tagen, die so wertvoll sind, dass ich sie jeweils im Herbst für das kommende Jahr fest in den Kalender eintrage. Es muss schon einiges passieren, dass sich da ein anderer Termin vordrängen kann. An Stillen Tagen schlafe ich aus, gehe spazieren, habe oft ein Thema, das mitgeht. Und ich sitze mehrere Stunden in der Kapelle. Und sitze. Versuche, auf meinem Gebetshocker einfach nur „da“ zu sein. Zu atmen in SEINER Gegenwart.

Ganz häufig kriege ich dann ein schlechtes Gewissen. Schweigen, so weit es geht gedanken-los sitzen, … ist das überhaupt „beten“? Müsste ich nicht Worte finden? Ein Gespräch mit IHM führen? Texte sprechen oder denken? Habe ich das nicht in meiner Kindheit so gelernt? Ist die Zeit im Schweigen „verplempert“?

Nein. Ist sie nicht. Zumindest nicht für mich. „Verplempertes Wasser“ kann man nur aufwischen, es ist verloren. Die Zeit in der Stille hingegen ist wertvoll, auch und vielleicht gerade, weil ich nicht in Worte fassen kann, was dort geschieht.

Kennen Sie die Geschichte vom Wasser-Krug? Ein indischer Wasserträger ging jeden Tag mit zwei Krügen Wasser am Fluss Wasser holen. Einer dieser Krüge hatte einen Riss, so dass auf dem Heimweg immer ein großer Teil des Wassers verloren ging. Dieser Krug hatte ein schlechtes Gewissen. Irgendwann entschuldigte er sich bei seinem Träger. Der Wasserträger forderte ihn auf, auf dem Weg vom Fluss einmal den Wegrand zu betrachten. Dort wuchsen, im Gegensatz zum Wegrand auf der anderen Seite, wo der rissfreie Krug getragen wurde, viele bunte Blumen. Diese konnten nur wachsen, weil täglich Wasser durch den Riss im Krug auf den Boden tropfte.

Dieses Wasser wurde nicht verplempert, auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick so aussah. Es brachte Leben an Stellen hervor, wo niemand es erwartete. Und auch die Zeiten in SEINER Gegenwart, „Premium-Time“ für mich bei IHM, zeigen oft diese Wirkung. Nicht immer, vor allem auch nicht sofort, aber immer wieder.

Plötzlich bricht etwas auf, beginnt zu blühen und zu leben an Stellen, wo ich es nicht erwartet oder erhofft habe.

Diese Erfahrung wünsche ich Ihnen. Manchmal ist das, was andere mit „verplempert“ bezeichnen, Quelle des Lebens.

Sr. Angela Cöppicus SDS, Mönchengladbach