„St. Martin…
…ritt durch Schnee und Wind“ singen die Kinder mit ihren Laternen in jedem November. Seit meinen Kindertagen ist er mir ein lieber Heiliger. Nicht (nur) wegen des Weckmanns, den ich auch hoffentlich in diesem Jahr geschenkt bekommen werde. Der römische Prätorianer, der seinen Mantel mit dem Bettler vor dem Stadttor von Amiens teilte, lebte menschliche Haltungen, die auf das Evangelium verweisen: offen sein und hinschauen; teilen wollen; mutig handeln; Träumen glauben. Diese Lebensweise finde ich hilfreich.
Offen sein und hinschauen: Er geht (oder reitet) nicht an dem Armen vorüber, wie es der Priester im Gleichnis Jesu tut (vgl. Lk 10,31). Martin sieht das Elend. Öffnet die Sinne, sein Herz, wie Jesus (vgl. Mk 6,34).
Teilen wollen: Martin teilt den Mantel, der groß genug ist für beide. Er gibt nicht alles weg; seine Nächstenliebe zeigt Maß (Sir 31,15). Er schlägt mit dem Mantel den Knoten durch, der manche Helfer lähmt. Die Kappa wird für den Nackten zum Gewand, das wärmt; zum bergenden Obdach, zur Kapelle, die den Frierenden beherbergt. Martin teilt nicht nur den Mantel, sondern etwas von seinem Leben (vgl. 1 Thess 2,8).
Mutig handeln: Der weiße Radmantel gehört Martin nicht persönlich. Er ist ein Teil seiner Ausrüstung und damit Eigentum des Heeres. Martin teilt ihn trotzdem (vgl. Mi 3,8a). Jetzt ist Hilfe notwendig, vielleicht auch zum eigenen Nachteil. Martin erhielt drei Tage Arrest wegen mutwilliger Beschädigung von Militäreigentum.
Träumen glauben: Träume verbinden Himmel und Erde (vgl. Gen 28,12-16). Im Traum erscheint dem Katechumenen Christus selbst. Deutet seine Tat. Die menschlich spontane Hingabe wird zur Christusbegegnung (vgl. Mt 25,35). Sie führt ihn auf dem Weg der Caritas tiefer in die Gemeinschaft der Glaubenden. Erst später lässt sich Martin taufen. Raum und Traum von Solidarität, Nächstenliebe und Christusbeziehung werden Wirklichkeit. Gelebte Caritas führt (den noch ungetauften) Martin zum Glauben hin. In seinem weiteren Leben zur Hoffnung.
Martin geht seinen Weg, den Weg zum Christ-Werden. Deswegen ist er mir lieb.
Br. Lukas Jünemann cfp