Vielleicht geht es Ihnen wie mir und es ist Ihnen viel, viel zu heiß, um sich mit so trocken scheinenden Themen wie Struktur und Disziplin zu beschäftigen. Freude passt ja auch viel besser in den Sommer.
Aber hat Freude nicht auch etwas mit Struktur und Disziplin zu tun? Ich kam selber erst vor kurzem darauf, als ich das mit der Disziplin gerade wieder sehr anstrengend fand – auch, aber sicher nicht nur, wegen der hohen Temperaturen. Diszipliniert abends noch Studienzeit zu halten, in einem aufgeheizten Zimmer am Schreibtisch zu bleiben, wo alles lockt bei den angenehmeren abendlichen Temperaturen raus zu gehen (in einen Biergarten z.B.), oder die Füße in den Teich zu hängen und einfach dem Abendgesang der Vögel zu lauschen? Und morgens, in den kühleren Stunden zwischen fünf und sieben, wäre das nicht genau die richtige Zeit, meditativ mit einer Tasse Kaffee in der Hand die Pflanzen zu wässern, einfach noch etwas vor sich hin zu sinnieren und dem Morgengesang der Vögel zu lauschen? Mir würde das entgegenkommen, da die Betrachtung, sprich Bibellesung, meiner Müdigkeit oft nicht wirklich standhält.
Und doch tue ich abends und morgens das, was die Tagesstruktur meines Klosters mir vorgibt, mit mehr oder weniger Erfolg, zugegeben, besonders in den heißen Monaten. Warum? Ich meine sagen zu können, dass ich die feste Struktur brauche, durch die und in der meine Disziplin gestützt wird. Ohne eine feste Tagesstruktur, einfach so, für mich diszipliniert bei dem zu bleiben, was ich mir vorgenommen habe … ich glaube, das würde mir noch sehr viel öfter und über sehr viel längere Strecken nicht gelingen, als dies so schon der Fall ist. Der Klosteralltag mit seiner Struktur, zum Teil auch mit seiner sozialen Kontrolle, helfen meiner oft wankelmütigen Disziplin – auch bei 30 Grad im Schatten, auch wenn ein Biergarten oder der Platz am Teich verlockender wäre. Und auch, wenn die Müdigkeit morgens noch das Gehirn in Watte packt.
Struktur also als Hilfe für Disziplin – aber wo, bitte, bleibt da die Freude? Nun ja, auch wenn ich es mir selber manchmal kaum noch glauben kann: Ich habe mich entschieden dieses Leben zu führen, mit all dem Schweren, den Problemen, den unmöglichen Zeiten und was ich noch aufzählen könnte. Ich habe mich entschieden, weil ich damals, vor ca. 20 Jahren dachte und es über 6 Jahre auch ausprobieren konnte, dass dies die Lebensform ist, in der ich am meisten Freude finden kann: Freude an Schriftlesung, Freude am Gebet, Freude an Studienzeit, Freude an Konzentration auf das Wesentliche … Und da ist sie dann, die Freude, vielfach sogar. Und so sehr ich die Abkühlung am Abend im Sommer mag, so sehr ich Vogelgesang früh und spät genieße – tiefe, tragende Freude, die erlebe ich, wenn ich das tue und bei dem bleibe, was meine tiefere Sehnsucht ist. Nach Gott zu fragen, hin und wieder auf Antwortspuren zu stoßen, das ist dann doch mehr, als die Verlockungen am Ende eines heißen Sommertages. Und so wünsche ich Ihnen, dass die Struktur Ihres Lebens Ihnen Halt und Kraft gibt, diszipliniert bei dem zu bleiben, was Sie für sich als tiefe Sehnsucht erleben. Auch noch bei über 30 Grad im Schatten.
Sr. Lioba Zahn OSB