Was für eine Frau, die am 3. Januar 200 Jahre alt würde!
Franziska Schervier aus sehr reichem Haus stammend. Immerhin war der Vater Fabrikant und gehörte zu den angesehenen Bürgern der aufstrebenden Industriestadt Aachen und ihr Taufpate war kein geringerer als der Kaiser Franz aus Österreich.
Die aufstrebende Industrialisierung des 19. Jahrhunderts führte weite Teile der Bevölkerung in die totale Verarmung, ja Verelendung. In diese Welt der drastischen Gegensätze wurde Franziska geboren und diese Gegensätze haben ihr Leben und Handeln geprägt.
Franziska eine Frau der Entschiedenheit!
Sie sagt NEIN zu den Missständen. Sie geht von Jung an mit offenen Augen durch ihre Stadt. Sie sieht, dass in der Fabrik des Vaters Kinder Tag für Tag 10 – 12 Stunden arbeiten. Sie sieht, dass Kinder nur notdürftig bekleidet und unterernährt sind. Sie schaut nicht aus gesicherter Distanz zu. Sie fühlt sich gedrängt zu handeln. Bereits als Kind handelt sie mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten. Nachts strickt sie heimlich Strümpfe, die sie auf dem Schulweg verteilt. Sie geht hinaus in die Welt, in der die Armen keinen Namen haben; in der die, die am Rande stehen übersehen werden und die rechtlos sind. Sie verlässt den geschützten Wohnbereich, die geborgene Häuslichkeit und ihren Reichtum. Sie bleibt nicht in dem offensichtlichen Behütetsein ihres Elternhauses. Das hält sie nicht aus! Sie geht hinaus in ein anderes Leben. Sie geht, obwohl der Vater dagegen ist. Sie stimmt sich jetzt schon auf einen alternativen Lebensentwurf ein. Ein ganz anderes Lebensmodell wird sie in der so gespaltenen Welt führen.
Doch vom NEIN allein kann sie nicht leben. Allein ihre Abgrenzung und ihr Protest können nichts verändern. Sie ist sich im Klaren, dass ihrem NEIN zu allem Destruktiven ein JA folgen muss, denn nur mit einem JA kann sie leben. Der Versuchung, sich in einen abgeschotteten Orden zurückzuziehen, sagt sie NEIN, um sich ganz dem an sie ergangenen Auftrag Jesu zu stellen: „Wunden heilen und Seelen retten“. Dafür lohnt es sich zu leben. Das Wort Jesu in der Endzeitrede: „Ich war nackt und ihr habt mich besucht; ich hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben...“ bringt sie in Bewegung. In vier Freundinnen findet sie treue und entschiedene Mitkämpferinnen, die alle NEIN sagen zu ihrem Reichtum und JA sagen zum Auftrag Jesu.
Franziska und die junge Gemeinschaft – nicht nur damals – können so leben, weil sie wissen, dass sie im Letzen nicht irgendeiner Ideologie folgen, sondern einer Person: Jesus, der mit ihnen auf dem Weg ist und dem sie bedingungslos glauben können. Nur in diesem Vertrauen ist dieses, im wahrsten Sinne des Wortes „ver-rückte“ Leben, möglich.
Franziska Schervier und alle, die ihr folgten und heute noch folgen, haben ihre Heimat in der Welt, weil Gott überall zu finden ist.
„Wir wollen mit Mut und Vertrauen,
mit Entschiedenheit, mit Treue und Ausdauer
auf dem Wege weitergehen,
der uns zum erwünschten Ziele führen wird“.
Franziska Schervier am 04.02.1864 an die Schwestern in Cincinnati/Ohio.
Sr. Dolores Haas SPSF, Aachen