BESUCH AUS NORDWEST

Folge 41 des Blogs "WELTEN - SPRÜNGE. Eifel, Amazonas und zurück" von Friederike Peters

Nordwest (c) Friederike Peters
Nordwest
Datum:
Mo. 12. Juli 2021
Von:
Friederike Peters

Der Fotograf ist schon hinter der Uferböschung verschwunden, bevor ich überhaupt aus unserem Boot aussteigen kann. Ich habe hinten gesessen und muss erst sehen, dass alle anderen gut hinauskommen.

Nordwest (c) Friederike Peters
Nordwest

Wir haben Besuch am Napofluss. Eine deutsche Gruppe möchte die Naporuna, ihre Kultur und ihren Alltag ein wenig kennenlernen. Ich habe Reiseleitung und Übersetzung übernommen. Ich freue mich, Menschen aus meinem Heimatland einige Eindrücke von meiner zweiten Heimat geben zu können. In einer globalisierten Welt ist es ihnen wichtig, das Leben der Menschen in anderen Erdteilen einmal mit eigenen Augen zu sehen.

Als unsere Gruppe das Ufer erklommen und den kurzen Weg zum Holzhaus zurückgelegt hat, steht die Hausfrau mit steinernem Gesicht an der Tür und der Fotograf in der Küche. Mit seinem gigantischen Fotoapparat vor dem Gesicht knipst er, was immer ihm vor die Linse kommt. So war das nicht gedacht. Die Frau hat eingewilligt, uns in ihrem Wohn- und Besuchersaal zu empfangen, uns zu bewirten und Fragen ihrer BesucherInnen zu beantworten. Natürlich soll sie für die Zeit, ihre Bereitschaft und für das Essen bezahlt werden. Jetzt steht der für Naporuna-Verhältnisse riesige, breitschultrige Mann in ihrer Küche. Die Küche ist der privateste Raum des Hauses. Nur allerengste Verwandte werden manchmal in die Küche gelassen. Für den Fotografen ist sie DIE Kulisse für das, was er als exotische Fotos mitbringen will. Was würde er wohl tun, wenn demnächst ein echter Urwaldbewohner ohne Anmeldung plötzlich in Hamburg in seinem Badezimmer stände und dort Zahnbecher und gebrauchte Unterwäsche fotografierte???

Aber Besuch aus Nordwest ist nicht immer ärgerlich. Im Gegenteil, viele Erlebnisse bringen uns gemeinsam zum Lachen, wenn erst mal alle Seiten verstanden haben, um was es geht. Eine Besucherin, die für ein Praktikum bleiben will, fragt mich unterwegs im Urwald, ob wir bald an eine Toilette kommen. Ich sage: "Hier gibt es keine Toilette, nur das Waldklo." - "Ah!" meint sie und geht schweigend weiter. Als der Weg eine Weile so weitergeht, fragt sie mich noch einmal. Ich verstehe, dass sie nicht versteht und erkläre es ihr. Sie hatte gedacht, wir kommen an einer Toilettenhütte im Wald vorbei. Ich hatte jedoch den nächsten Baum gemeint, hinter den sie sich hocken könnte. Alle lachen. Sie lacht mit und lachend sucht sie ihren Baum.

Es beginnt in Strömen zu regnen. Ich bin mit einer Gruppe europäischer Entwicklungsexperten in einem offenen Motorboot auf dem Napofluss unterwegs. Eiskalt peitscht der Regen uns ins Gesicht. Sie holen ihre Regenponchos aus Superfaser aus den Rucksäcken und ziehen sie über die Mikrofaser-Tropenkleidung, die ja sofort trocknet, wenn es aufhört zu regnen. Ja, wenn - aber es schüttet vom Himmel, stundenlang. Der Regen ist wie flüssiges Eis, das im Fahrtwind über die Gesichter kratzt. Als er endlich still ist, sind alle lange schon durchnass bis auf die Haut und unsere Zähne klappern. Wer hätte gedacht, dass es am Amazonas so kalt werden kann? Marco, unser Naporuna-Bootsführer hatte es gedacht. Er holt aus einem Plastiksack ein trockenes T-Shirt und eine Hose hervor, zieht sich um und lässt die Sonne auf seinen Körper scheinen. Unsere BesucherInnen aus Nordwest sitzen mit verklebter Tropenkleidung daneben und warten, dass sie sofort trocknet. "Jetzt weiß ich, warum du keine Tropenkleidung anhast", sagt einer der Gäste lachend zu Marco. Der grinst übers ganze Gesicht und über die "Astronautenkleidung" der Experten - - -