Brasilien vor ungewisser Zukunft

Adveniat-Experte: „Präsidentschaftswahl in Brasilien entscheidet über die demokratische Zukunft des Landes“

„Bolsonaro raus“ ist auf diesem Transparenz einer Anti-Bolsonaro-Demonstration in Rio de Janeiro am 2. Oktober 2021 zu lesen. Genau ein Jahr später am 2. Oktober 2022 stehen nun Präsidentschaftswahlen in Brasilien an. (c) Tobias Käufer/Adveniat
„Bolsonaro raus“ ist auf diesem Transparenz einer Anti-Bolsonaro-Demonstration in Rio de Janeiro am 2. Oktober 2021 zu lesen. Genau ein Jahr später am 2. Oktober 2022 stehen nun Präsidentschaftswahlen in Brasilien an.
Datum:
Di. 20. Sept. 2022
Von:
Adveniat
Norbert Bolte ist Brasilien-Referent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat. (c) Martin Steffen/Adveniat
Norbert Bolte ist Brasilien-Referent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat.

Essen, 20. September 2022. „Die Präsidentschaftswahl in Brasilien entscheidet über die demokratische Zukunft des Landes, die soziale Zukunft des Subkontinentes und die ökologische Zukunft des Planeten.“ Davon ist der Brasilien-Referent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Norbert Bolte, überzeugt. „Die systematischen verbalen Attacken gegen Frauen, Indigene, Afro-Brasilianer und Andersdenkende, die tätlichen Angriffe auf Bürgerinnen und Bürger und die regelmäßige Drohung mit einem Militärputsch haben das politische Klima nachhaltig vergiftet und zu einer demokratiegefährdenden Spaltung der Gesellschaft geführt.“ Zwischen 2019 und 2022 habe zudem die Vernichtung des Amazonas-Regenwaldes Jahr für Jahr traurige Rekordwerte erreicht. Das gelte ebenfalls für die Zahl der Hungernden.
Zusammenfassend steht für den Adveniat-Referenten Norbert Bolte fest: „Die Bilanz der Präsidentschaft Jair Bolsonaros ist eine einzige Spur der Verwüstung. Eine Folge: Brasilien ist auf der Weltkarte des Hungers zurück.“ Dem Forschungsnetzwerk für Lebensmittel- und Ernährungssouveränität und -sicherheit (Rede PENSSAN) zufolge haben 33,1 Millionen Brasilianer im Jahr 2022 nicht genug zu essen, mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist von Ernährungsunsicherheit betroffen. „In Brasilien hungern damit wieder so viele Menschen wie in den 1990er-Jahren. Die Erfolge der Vergangenheit sind zunichtegemacht worden“, fasst Bolte zusammen. 
Ähnlich verheerend fällt die Corona-Bilanz aus. Fast 700.000 Brasilianerinnen und Brasilianer sind der Pandemie zum Opfer gefallen. 322 Menschen sind auf 100.000 Einwohner gestorben. Dieser traurige Wert wird in Lateinamerika nur von Peru noch übertroffen. „Die Bilder von Massengräbern in Rio und Manaus insbesondere zu Beginn der Covid-Pandemie sind um die Welt gegangen“, erinnert Brasilien-Referent Bolte. Eine Mitverantwortung für die hohe Sterberate trage die Bolsonaro-Regierung, die die Hygiene- und Schutzkonzepte der Bundesstaaten immer wieder torpedierte. „Auf das Versagen des Staates haben die Kirche und zivilgesellschaftliche Organisationen reagiert und die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln und Hygiene-Artikeln organisiert“, berichtet Bolte. Allein das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat habe seine Partnerinnen und Partner mehr als 3,5 Millionen Euro dafür zur Verfügung gestellt.
Ungebremst breitet sich seit 2019 die Vernichtung des Amazonas-Regenwaldes aus. 2.500 Brände meldet das brasilianische Institut für Weltraumforschung INEP für den Juni 2022. So viele wie seit 15 Jahren nicht mehr. „Bolsonaro hat mit seiner Politik Holzfäller, die Agrarindustrie und Bergbauunternehmen geradezu aufgefordert, den Regenwald abzuholzen und abzufackeln“, kritisiert Adveniats Brasilien-Experte Norbert Bolte. Die Umweltbehörde sei gezielt geschwächt worden und sämtliche Kontrollen seien eingestellt worden, sodass die Ausbeutung des Amazonasgebietes – ob legal oder illegal – ungehindert voranschreiten konnte. Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten, die auf die Missstände hinweisen, leben gefährlich. Zuletzt waren der britische Journalist Dom Phillips und der brasilianische Indigenen-Experte Bruno Pereira ermordet worden. „Anstatt auf Aufklärung der Morde zu drängen, gibt Bolsonaro den ermordeten Umweltaktivisten eine Mitschuld an ihrem Tod. Das zeigt die Menschenverachtung dieses Präsidenten“, so Bolte. Unabhängig vom Ausgang der Wahl werde sich das Lateinamerika-Hilfswerk mit seinen Partnerinnen und Partnern weiter für den Schutz des Amazonasgebietes und seiner Bewohner einsetzen. „Adveniat weist seit Jahren darauf hin: Die Zukunft des Planeten wird am Amazonas entschieden. Dem ist nun hinzuzufügen: Die Präsidentschaftswahl in Brasilien entscheidet über die Zukunft Amazoniens und damit über die Zukunft des Planeten“, ist Adveniat Referent Norbert Bolte überzeugt. 

 

Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Dazu arbeitet Adveniat entschieden in Kirche und Gesellschaft in Deutschland. Getragen wird das Werk von hunderttausenden Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten 1.500 Projekte mit rund 29 Millionen Euro gefördert werden, die genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Armen.