Diesmal war niemand da, um mit den Toten zu essen, kein Schweinebraten auf den Gräbern verstreut, kein Maisbier in die Erde geschüttet, um mit ihnen anzustoßen.
Die meisten Friedhöfe blieben leer dieses Jahr. Regierung und Krisenstab haben den Friedhofsbesuch an den Allerheiligen-Feiertagen verboten. Viele Friedhöfe wurden geschlossen, von Polizei und Militär bewacht. Wie hätte man sonst die hunderten und in großen Städten tausenden Angehörigen davon abhalten können, zu Allerseelen ihre Toten zu besuchen.
Dieses Jahr sind es viele tausend Tote mehr als sonst, die man beklagen muss, beschreien muss, besingen will. 12 692 Menschen sind bisher in Ecuador an und um Corona gestorben, sagt die Statistik der John Hopkins Universität am 2. November. 9713 Menschen pro einer Million Einwohner sind am selben Tag nachweislich an Corona erkrankt. Die Dunkelziffer ist und bleibt dunkel. Die Gebiete, wo weder getestet noch geprüft werden kann, sind groß. Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, hat man angefangen, die Sterbezahlen des Einwohnermeldeamtes von 2020 mit den Zahlen von 2019 zu vergleichen: 25-50 % mehr Tote wurden in diesem Jahr gemeldet. In der Region mit der größten Stadt des Landes, Guayas, wurden von Januar bis September 31 815 Tote gemeldet. Das sind doppelt soviele wie 2019 im gleichen Zeitraum. Da waren es 16 102 Tote. Aber auch hier bleibt eine Dunkelziffer. Bis heute suchen Menschen verzweifelt die Leichen ihrer Angehörigen, die zu Beginn der Pandemie in Massengräbern verscharrt wurden, weil weder Krankenhäuser, Gefriertruhen noch Friedhöfe sie fassen konnten.
In Deutschland starben bis 2. November laut John Hopkins Universität 10 669 Menschen an und um Corona. Am selben Tag waren 6850 Menschen pro eine Million Einwohner nachweislich erkrankt. Von März bis Mai registriert das Statistische Bundesamt im Durchschnitt 10 % mehr Tote als letztes Jahr. Januar, Februar, Juni, Juli und August waren die Zahlen kaum verändert im Vergleich zu 2019.
Tote Menschen sind in Zahlen und Statistiken gepackt worden, um sichtbar zu machen, was voriges Jahr noch undenkbar und bis heute unbegreifbar ist. Alle Statistiken zeigen, dass der Coronatod nicht alle gleich trifft.
Alle sind gleich, aber manche sind gleicher,
heißt es auf der Farm der Tiere, die George Orwell so eindrücklich beschrieben hat.
Was wäre, wenn dieses Jahr auf rheinischen Friedhöfen einmal der Lautsprecher aufgedreht würde und wir anfangen würden, die Toten zu besingen?
"Ich würd su jään mit dir eine trinke jonn, et jöv suvell zu verzälle, et letzte Mol is iwig her. Doch dinge Platz he an der Thek, der bliev für immer leer. Doch ich jläuv daran, dat du uns he sühs, und ich dräum davun, datt du bei uns bess. Darum häve mer die Jläser dohin, wo die Engel sin, denn do bess du, luurst uns zu. Darum alle Jläser huh. Op die Liebe, op et Lävve, op die Freiheit und d'r Dud. Kumm mer drinke uch met denne die im Himmel sin. Alle Jläser huh..." (Kasalla)