Diesmal ist es anders als alles, was ich bisher erlebt hatte. Es ist die Kar- und Osterwoche. Mein Pfarrerkollege Juan Carlos und ich fahren mit dem Boot die ganze Woche von Dorf zu Dorf, um mit den Naporunas Tod und neues Leben zu feiern.
Am Karfreitag sind wir in Noas Haus eingeladen und versuchen gerade, die winzigen Gräten aus unserem Bratfisch herauszuangeln, als plötzlich ein Schrei das ganze Haus erschüttert: "Er stirbt! Er stirbt! Mein Sohn! Mein Sohn!" Mirela stürzt aus der Küche ins Wohnzimmer. Ihr kleiner Sohn Danilito auf dem Arm, in seinen Augen sieht man nur noch weiß, er atmet nicht. Sie gehen direkt zu Pablo, einem Katecheten, der zugleich Schamane ist. Er hat uns ein Stück begleitet und sitzt mit uns beim Essen. Pablo schlägt sofort auf sein Herz, bläst Luft in seinen Mund und seine Nase, wirft das Kind in die Luft und fängt es wieder auf. Schnell hat der Großvater von draußen die Duftblätter geholt, die ganz in der Nähe jedes Naporunahauses wachsen. Mit einem Strauß der Blätter raschelt der Schamane vor dem Gesicht des Kindes rhythmisch hin und her und singt dazu. Ein atemberaubender und atemschenkender Duft geht von den Blättern aus. Abwechselnd wird wieder Luft in Mund und Nase geblasen. Der Schamane nimmt einen großen Schluck aus dem Glas mit dem starkem Zuckerrohrschnaps und spuckt ihn in Danilitos Gesicht, dann einen festen Zug aus der Zigarre mit dem Urwaldtabak und er bläst ihm auch den Rauch ins kleine Gesicht. Das beruhigt die Geister. Dann nimmt er das Kind in seine Arme und bläst mit aller Kraft Luft in seine "Krone". So nennen die Naporuna die Stelle auf dem Kopf, wo die Knochenplatten zusammenkommen. Es ist die Tür des Geistes. Hier bläst der Geist uns Menschen das Leben ein. Der Schamane bläst wieder und wieder in die "Krone", dann wieder Luft in den Mund und einen Schlag auf das Herz. Bis endlich der Schrei des Kindes die Panikschreie von Mutter und Großmutter übertönt.
Danilito lebt wieder, aber er ist nicht stabil, er hat hohes Fieber. Zum Krankenhaus, das mit dem Motorboot vier Stunden entfernt liegt, kann man in der Nacht nicht fahren. Der Fluss hat zu viele Sandbänke und Baumstämme, die in der Nacht nicht zu sehen sind. Gegen das Fieber macht die Großmutter kalte Wadenwickel.
Gegen die Krankheitsgeister muss der Schamane, müssen Mutter, Kind und Familie noch weiterkämpfen. Alle sind dabei, denn es muss nicht nur das Kind geheilt werden, auch die Mutter, die es eigentlich nicht haben wollte, und Vater und Großvater, die um die Liebe der Mutter wetteifern, während die Großmutter so gerne ihre heile Familie zeigen will. Alle sind dabei, als der Schamane später in der Nacht, nachdem er den zweiten Atemstillstand des kleinen Danilito geheilt hat, in einem kleinen Kessel mit glühenden Holzstücken darin, im winzigen Schlafzimmer der Eltern Tierhaare verbrennt. Es stinkt bestialisch und der Rauch im Zimmer wird immer dichter. Wir sehen uns wie durch Nebel. Es ist zum Ersticken. So ähnlich muss es Danilito gefühlt haben, der jetzt ruhig atmend daliegt auf den Knien seiner Mutter. Der Schamane räuchert weiter bis es unerträglich wird. Mirela hat ihr Kind in die Arme genommen und hält es an sich. Der Schamane stößt die Tür auf und die frische Nachtluft strömt ins Zimmer.
In der Morgendämmerung, als ich kurz rausgehe, sehe ich unter der Holztreppe des Hauses den kleinen Hund der Familie - tot - "Der war schon lange krank," sagt die Großmutter. Die Haare, die verbrannt wurden, waren seine - - -
Die Krankheitsgeister sind vertrieben.
Die Familie bittet Pater Juan Carlos, dem Kind die Nottaufe zu spenden.
Es ist Karsamstag. Der Tag bricht an, als Danilito durch den Tod ins neue Leben geht -