DIE NACHT DURCH

Folge 13 des Blogs "WELTEN - SPRÜNGE. Eifel, Amazonas und zurück" von Friederike Peters

Naporuna beim Weihnachtstanz (c) Friederike Peters
Naporuna beim Weihnachtstanz
Datum:
Mo. 28. Dez. 2020
Von:
Friederike Peters

Wohl kaum etwas scheint unter gleichem Namen so anders zu sein als Weihnachten in Deutschland und am Amazonas.

Weihnachtsessen (c) Friederike Peters
Weihnachtsessen

Trotz und mit Coronaeinschränkungen, mit oder ohne Schnee haben wir in der Eifel Heiligabend gefeiert und die beiden Weihnachtstage. Im besten Falle war es ein gemütliches Familienfest in kalten Zeiten, im schlimmsten traurige Erinnerung an ein Fest, das wir nicht feiern können mit Menschen, die nicht da sind, und nicht feiern wollen mit Menschen, die da sind. Im besten Falle war es ein Hoffnungsblitzen, ein Neuanfang, wo alles tot schien, im schlimmsten ein zwar fein verziertes Geschenk, das aber mehr Gift verspritzt als Freude.

Bei den Naporuna im Amazonaswald geht es nicht um einen heiligen Abend, sondern um die ganze Nacht. Es geht darum, sie auszukosten unter tropischem Sternenhimmel vom Sonnenuntergang bis zum neuen Sonnenaufgang. Es geht um die Hoch-Zeit und Neu-Geburt einer Dorfgemeinschaft.

Alles beginnt eine Woche vorher mit der großen Jagd. Die jungen Männer ziehen für mehrere Tage weit in das Innerste des Urwalds, denn sie wollen nicht nur, wie sonst im Alltag, hier oder da ein kleines Wild ergattern. Diesmal wollen sie Leben in Fülle. Da darf Essen in Fülle auf keinen Fall fehlen. Sechs bis zehn große Wildschweine, dazu vielleicht ein Tapir, mehrere Capiwaras, Guantas und Affen. Die Jäger sollten mindestens fünf Affen als Ehrengeschenke mitbringen. Etwa 300 Menschen werden beim Fest sein. Alles Wild wird sofort im Urwaldcamp zerteilt, gesalzen, über dem Feuer angetrocknet und in die großen mitgebrachten Shikras gepackt. Das sind starke, selbst geflochtene Tragnetze, die sich fast endlos ausdehnen. Jede Shikra hat einen breiten Tragriemen, den der Jäger auf seine Stirn legt und so die Beute nach Hause schleppt. Frauen und Männer im Dorf haben ebenso endlose Mengen Kochbananen für den Eintopf und Maniokwurzeln für die Bierherstellung aus den Gärten geholt.

Am Morgen vor der großen Nacht geht es los mit Wasserholen, Kochen, Braten und Probieren. Am Nachmittag kommen alle Familien zum Dorfplatz und auch eine Delegation aus einem der Nachbardörfer, die Ehrengäste. Es beginnt der sportliche Wettbewerb der jungen Frauen und Männer im Ecuavolley und im Fußball. Gegen Abend rufen die diesjährigen Paten des Jesuskindes, die das ganze Fest organisieren, zur Prozession. Im Tanzschritt, begleitet vom Flötenspieler und seiner Adlerknochenflöte, den Trommlern mit den Affenfelltrommeln und den Familienangehörigen wird das Jesuskind im Haus seiner Paten abgeholt, in ein neues Gewand gekleidet und auf den Platz in die schön geschmückte Krippe gebracht. Manchmal kommt der Pfarrer dazu und es kann eine Messe gefeiert werden.

Dann wird getanzt, der Weihnachtstanz. Flöten und Trommeln begleiten die Frauen und Männer, die sich in zwei lange Reihen einander gegenüber aufstellen. Jede Person darf nun einmal das Jesuskind tanzend durch die Reihen tragen und es von allen küssen lassen, während Männer und Frauen tranzend immer und immer wieder aufeinander zu und voneinander weggehen, im endlosen Wechsel. Nach langer Zeit kommt eine kurze Pause, die in lauten Paartanz nach den neusten Amazonas-Schlagern übergeht, und davon wieder zur Pause und wieder zum Geburtstagstanz mit dem Jesuskind.

Mitten in der Nacht wird die Tafel gedeckt, ein gigantischer Tisch in der Mitte des Dorfplatzes für die Repräsentanten des Nachbardorfes, des Dorfes und für die Autoritäten dieser Nacht, also die Paten des Jesuskindes. Die Paten des nächsten Jahres sind heute Ehrengäste und werden in ihr Amt eingeführt. Der Tisch hat alle Mühe die Köstlichkeiten des Urwaldes zu tragen. Für die Ehrengäste liegt ein komplett gebratener Affe auf jedem Platz. Wenn alle Platz genommen haben, werden sie von den Paten dieses Jahres bedient mit Fleisch, Suppe, Bier und Schnaps. Die Frauen stopfen zwischendurch die Münder aller Gäste mit hartgekochten Eiern und lassen sich auch vom Protest und allgemeinem Gelächter nicht abhalten. Die Fruchtbarkeit des Dorfes soll überborden im neuen Jahr. Alle anderen Dorfmitglieder und Gäste haben inzwischen ebenfalls riesige Teller voll Fleisch und Bananensuppe bekommen. Was man beim besten Willen nicht mehr essen kann, kommt in den mitgebrachten Kessel jeder Hausfrau. Das Maniokbier fließt in Strömen.

Und dann fließt wieder der Tanz der Frauen und Männer im Wechselschritt mit dem Kind in ihrer Mitte aufeinander zu, voneinander weg und wieder zusammen bis alles eine einzige Woge ist, ein einziger Klang - - -

DAS FEST IST NOCH NICHT ZU ENDE - - -