(Aachen, 9. Februar 2021) Ostafrika ist derzeit von einer zweiten Welle der seit mehr als einem Jahr grassierenden Heuschreckenplage betroffen. Darauf weist das katholische Werk für Entwicklungszusammenarbeit MISEREOR hin. "Wir beobachten mit großer Sorge, dass die Schädlinge in Ländern wie Kenia, Somalia und Äthiopien erneut die Ernährungssicherheit der Bevölkerung bedrohen, weil Ernten vernichtet werden und damit neuer Hunger droht", sagt MISEREOR-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon.
In Somalia wurde angesichts der bedrohlichen Situation im südlichen Teil des Landes der Ausnahmezustand verhängt, wie afrikanische Medien berichten. In zahlreichen ostafrikanischen Regionen gefährdet die Heuschrecken-Invasion nicht zuletzt die Lebensgrundlage vieler mobiler Tierhalter*innen, deren Vieh aufgrund der aktuellen Krisen-Lage weniger Futter findet. Noch beschränkt sich die Plage auf einige wenige Länder, doch die Welternährungsorganisation FAO hat bereits gewarnt, dass die Heuschrecken sich auch in weiteren Staaten wie Uganda, Südsudan, Eritrea und Dschibuti breitmachen und großen Schaden anrichten könnten.
Regenfälle und Kriege als Ursache
Die Heuschreckenplage hat nach Erkenntnissen von MISEREOR im Wesentlichen zwei Ursachen: Zum einen die – auch klimawandelbedingt - sehr feuchten Wetterbedingungen über der arabischen Halbinsel und dem Horn von Afrika seit 2018, zum anderen die Gewalt in Jemen und Somalia. "Letztere verhinderte wirksame Eindämmungsmaßnahmen gegen die Heuschrecken", stellt Sabine Dorlöchter-Sulser, MISEREOR-Fachreferentin für ländliche Entwicklung, fest.
Seit Ende 2019 konnten sich die Heuschreckenschwärme nicht nur über zahlreiche Länder im östlichen Afrika ausbreiten, von der arabischen Halbinsel aus gelangten sie auch bis nach Pakistan und Indien. Experten fürchten darüber hinaus, dass sich Schwärme auf Futtersuche in der Regenzeit von Juli bis September bis nach Westafrika ausbreiten könnten. "Erfahrungen mit ähnlich massiven Heuschreckenplagen in der Vergangenheit (1986 – 1989 in Nord- und Westafrika) legen nahe, dass die Plage mehrere Jahre andauern kann. Dies erscheint vor allem deshalb bedrohlich, weil die Bevölkerung in Teilen der betroffenen Länder in den vergangenen Jahren unter den Folgen überlappender Krisen gelitten hat, von Dürren und Überschwemmungen, Epidemien (Cholera, COVID-19) sowie politisch bedingten Krisen", erläutert Dorlöchter-Sulser.
Geschwächte Widerstandskraft
Schon Mitte 2020 seien etwa 29 Millionen Menschen in der Region von Ernährungskrisen bedroht gewesen. "Ihre Reserven gelten als aufgebraucht und ihre Widerstandskraft als geschwächt. Die kriegerischen Auseinandersetzungen in Äthiopien seit November 2020 werden die Zahl der Betroffenen in diesem Jahr noch deutlich steigen lassen", warnt die Expertin.
MISEREOR hat im Sommer vergangenen Jahres auf Anfrage der Diözese Soddo ein Projekt zur Heuschreckenbekämpfung in den äthiopischen Gebieten Malle, Benatsemay und Hamer finanziert. Dabei wird die Bevölkerung angeleitet, parallel zu Pestizideinsätzen der Behörden mit mechanischen und damit wesentlich umweltverträglicheren Maßnahmen gegen die Heuschrecken vorzugehen. Dazu werden die Menschen darin ausgebildet, bei Heuschrecken in jungen Entwicklungsstadien Gräben auszuheben und die noch flugunfähigen Jungtiere in diese Gräben zu treiben und zu töten. Außerdem umfasst die Ausbildung die Identifizierung von Brutgelegen und das Ausgraben und die Zerstörung der Eier. Zusätzlich wird Schutzkleidung finanziert, da die einheimische Bevölkerung vor Ort häufig von staatlicher Seite in Sprüheinsätze mit Insektiziden zur Heuschreckenbekämpfung einbezogen wird.
"Die Lage ist sehr ernst, und die betroffene Bevölkerung braucht unsere Hilfe. Lassen wir sie in dieser Situation nicht allein", mahnt MISEREOR-Geschäftsführer Bröckelmann-Simon.