KIRCHE 2.0 - MARIA

Folge 37 des Blogs "WELTEN - SPRÜNGE. Eifel, Amazonas und zurück" von Friederike Peters

Kirche 2.0 (c) Maria 2.0
Kirche 2.0
Datum:
Mo. 14. Juni 2021
Von:
Friederike Peters

"Unser Gründer hätte nie die Hälfte aller Charismen außen vor gelassen," sagt meine ehemalige Kollegin, die Gemeindereferentin Maria. "Ja genau", sage ich. Wir lachen gemeinsam.

Kirche (c) privat
Kirche

Ich bin überzeugt, er tut es heute auch nicht, denn wir sind hier, wir Frauen mit Charisma. Schöpferisch, kreativ, geistes-gegenwärtig bringen wir uns und unsere Talente ein in diese wahn-sinnige Welt. Wir sind oft nicht da, wo offizielle Kirchenmänner uns gerne sehen wollen, aber wir sind Kirche und unser Kirchenraum ist weiter, als rote Linien ihn vorzeichnen könnten.

Gerade deswegen - der größte Schock nach meiner Rückkehr war, die Situation der Kirche in Deutschland zu erleben:
Pfarreien, die eigentlichen Haus- und Ortskirchen, die in Deutschland sogar einmalige, verbriefte Mitspracherechte in Kirchenvorständen und Pfarrgemeinderäten haben, werden samt ihren Rechten sang- und klanglos nach oben fusioniert. An manchen Orten wurden sie noch gefragt, mit wie vielen oder mit welchen anderen Pfarreien sie fusionieren wollen. Manchmal wurden die Wünsche berücksichtigt. Die Entscheidung, selbst eine eigene kleine Pfarrei bleiben zu wollen, die, von Ehrenamtlichen geleitet, mit Hauptamtlichen und mit anderen Pfarreien, wo nötig, kooperiert, stand nicht auf dem Plan oder wurde schnell zur Seite geschoben. Die Möglichkeiten, jede noch so kleine Lokalkirche an der Basis zu stärken, damit Kirche dort ist, wo das Leben stattfindet, damit die entscheiden, die betroffen sind, werden kaum ernsthaft in Betracht gezogen. Stattdessen verwalten Großpfarreien Besitz, Finanzen und Aktivitäten ehemaliger Pfarreien nun auch noch "großzügig" von oben mit - falls sie noch Zeit dafür haben.

Zugleich wird auf der Strukturebene über Macht-Missbrauch diskutiert. Sexueller Missbrauch wird endlich öffentlich angegangen. Trotzdem scheint die Veröffentlichung an der einen Stelle, oft gerade zu bewirken, dass die Vertuschung des Missbrauchs an anderen Stellen noch weiter geht.
Beim "Synodalen Weg" geht es um Täter und Opfer, Frauen und Männer, ihre Macht, Ohnmacht und Beziehungen, durch die Leben zerstört wurden, Lebensträume und Entwicklungsmöglichkeiten, die nicht wieder hergestellt werden können. Zumindest können sie jetzt öffentlich angeklagt und betrauert werden. Viele Wunden werden niemals heilen, vielleicht vernarben.
Zugleich wirkt diese Aufarbeitung auf mich auch wie die Auseinandersetzung alt gewordener "Kinder" mit ihren noch älter gewordenen "Kirchen-Vätern", bei der diese endlich zugeben sollen, Täter gewesen zu sein. Endlich sollen sie Wiedergutmachung leisten, Entschädigung zahlen. Bis auf wenige Ausnahmen werden sie es auch dieses Mal nicht tun, denn sie sind vor allem damit beschäftigt, ihr Erbe zu "sichern", um es an "ihre Söhne" weiterzugeben.

Währenddessen haben wir unsere Gegenwart aus dem Blick verloren, unsere Zukunft an den Weltuntergang abgegeben oder auf die Ewigkeit verschoben: "Nach uns die Sintflut." Gegenwartsthemen wie Klimaerwärmung, Energieausbeutung, globale und lokale Gerechtigkeit, Corona weltweit, Armut und Hunger in Deutschland und weltweit, Flüchtlinge und Fluchtursachen, Krieg und Waffenhandel ... kommen auf den Kirchentagen vor, einen Event lang. Beim "Synodalen Weg", bei der Suche nach neuen Kirchenstrukturen, neuen Pfarreien, neuen Kirchenfinanzen ... kein Thema!

Währenddessen ist Rom längst nicht mehr die Mitte der katholischen Welt und Köln nicht mehr die Mitte der Kirche. Im Vatikan ist ein von der Befreiungstheologie beeinflusster Lateinamerikaner eingezogen. Er hat die Randgebiete in die Mitte gezogen. Kirchen in Lampedusa, Irak und Amazonien spielen eine Rolle in Rom. Die Ortsgemeinden Amazoniens, die jahrhundertelang in geografisch gigantischen Räumen durch persönliche Zeugenschaft und Netzwerke, unabhängig von Kirchenstrukturen und Priestern ihren Glauben im Alltag gelebt und weiterentwickelt haben, werden als gelebte Chancen vorgestellt. Die deutsche Kirche, die in vielen Fragen endlich ein Machtwort von oben hören will, wird darauf hingewiesen, dass Ortskirchen selbst nach Lösungen suchen müssen für ihre lokalen Gegebenheiten. Das wollen viele nicht hören - sie suchen Antworten bei Kongregationen und Kommissionen. Einer sollte doch das letzte Wort sagen! - Gott behüte - - -

"Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?"
fragt der Engel in der frohen Botschaft nach Lukas (24,5)
und ein wenig später zwei andere Gottesboten:
"Was steht ihr da und starrt nach oben?" (Apg 1,11)