LIEBE GEWINNT?!

Folge 33 des Blogs "WELTEN - SPRÜNGE. Eifel, Amazonas und zurück" von Friederike Peters

Liebe gewinnt (c) Friederike Peters
Liebe gewinnt
Datum:
Fr. 14. Mai 2021
Von:
Friederike Peters

Was ist wohl das schwierigste deutsche Wort, das man einer Ecuadorianerin zum Lernen geben könnte? - Da gibt es eine ganze Menge.

Liebe gewinnt (c) Friederike Peters
Liebe gewinnt

Innenraumlufthygienekommission ist sicher eines davon.
Was war umgekehrt das schwierigste Wort in der Naporunasprache für eine Deutsche wie mich? Das ist ganz eindeutig das Wort "llakina". Das Aussprechen geht noch ganz leicht, wenn man weiß, dass ll wie lj ausgesprochen wird, aber Verstehen ist am Anfang nahezu unmöglich. Llakina bedeutet: lieben, leiden, leiden lassen, mitleiden und Probleme machen. "Kanta llakini" kann also heißen: Ich liebe dich, aber genauso auch: Ich leide an dir, du machst mir Probleme. Ich liebe meine Heimat. Ich leide an meiner Familie. Meine Kinder machen mir nur Probleme. Ich liebe Juan! Liebe Gemeindemitglieder! All das wird mit demselben Wort "llakina" ausgedrückt.
Wie verwirrend! Um das zu verstehen, muss ich verstehen, um welche Menschen es geht und in welchem Zusammenhang von ihnen gesprochen wird.
Wie weise!! Lieben hat immer auch mit den konkreten Menschen und deren Umfeld zu tun, hat immer auch mit Leiden zu tun, mit Problemen, die aus der Liebe erwachsen.
Liebe ist kein Konkurrenzkampf. Liebe gewinnt nicht immer und nicht nur.
"Llakinakusa kawsaychi", heißt ein Naporuna-Sprichwort, "Liebend und leidend - leben wir in Fülle".

"Liebe gewinnt" ist zum Motto der Segnungsgottesdienste für homo- und heterosexuelle Paare in der katholischen Kirche Deutschlands geworden. Wie gut, dass die Liebe hier Raum bekommt und Menschen den Mut gewinnen, zu ihr zu stehen, sie zu segnen und segnen zu lassen. Segnen auf Naporunashimi heißt: "alli nina". Wie auch das spanische Wort "bendecir" bedeutet das: gutheißen, sagen, dass es gut ist. Alles gut!!! Was für ein Segen!!!

Homosexuelle Paare werden am Napofluss nicht gesegnet. Es gibt keine! In den ecuadorianischen Großstädten Quito und Guayaquil gibt es sie, genau wie auch die global organisierte LGBT-Bewegung der sexuell anders orientierten Menschen. Im Amazonaswald ist das nicht denkbar, nicht vorstellbar. Man hat davon gehört, staunt oder spottet darüber und kann keinen Sinn darin entdecken. Am Napofluss braucht man zum Überleben junge Paare, die Kinder und Enkel gebären. Ohne diese gibt es kein Essen, keine Versorgung, kein Überleben für die Eltern und Großelterngeneration. Das Überleben der Großfamilien ist wichtiger als eine eigene, vielleicht andere, sexuelle Identität zu suchen, finden und leben.

"Du bist nur ein halber Mensch!", sagen sie mir, weil ich ohne Partner lebe. Mir fehlt da wohl "meine bessere Hälfte". Das sagen sie nicht spöttisch, sondern besorgt und in der Hoffnung, ich würde die bessere Hälfte dann doch noch finden und das am besten bei ihnen. Auch zölibatär lebende Priester sind nur "halbe Menschen", die man nicht wirklich "für voll nehmen kann". Alle Menschen und erst recht geistliche, geist-volle Menschen müssen mir ihrer Ergänzung leben. Nur ein Frau/Mann-Paar ist ein voller Mensch. Mensch sein heißt, sich er-gänzen, sich ganz machen mit Frau oder Mann. Ein Paar wird niemals als ein Gegenüber von Mann und Frau gesehen, immer als Ergänzung des/der anderen. In der Naporunakultur sind Frau und Mann immer und von Grund auf gleichwertig, in einem in der deutschen Kultur unvorstellbaren Ausmaß. Aber sie sind niemals gleichartig, sondern Er-gänzung. Erst im Kontakt und unter dem Druck des "Vorbildes", des modernen, westlichen Mannes wird aus Gleichwertigkeit harter Machismus, der seine Stärke ständig im Konkurrenzkampf meint, beweisen zu müssen.

Die Regenbogenflagge, die bereits lange Zeit vor der LGBT Bewegung die Flagge der südamerikanischen Indigenen war, ist ein gutes Zeichen für das, was Indigene unter Beziehung verstehen. Im Regenbogen sind alle Farben zu einer einzigen zusammengefasst, sie ergänzen sich, ohne sich aufzuheben oder ineinander zu verschmelzen. Sie sind deshalb DAS Symbol für Schöpfungskraft und Energie in Fülle - volle Ergänzung, das volle Leben - - -
Das hat immer auch mit Liebe zu tun - - -