Es gibt keinen Platz für sie, diese Erfahrung machen nicht nur Josef und Maria nach der Geschichte des Lukasevangelium, sondern auch die Kinder aus Migrantenfamilien in Sibirien. Sie kommen aus Mittelasien - Tadschikistan, Usbekistan, Kirgisien. In ihren Bergdörfern fehlte den Familien jede Existenzgrundlage. In der Hoffnung auf Arbeit und Lohn kamen sie nach Sibirien - nach Novosibirsk oder Tscheljabinsk. Doch hier sind sie nicht erwünscht. Keiner vermietet ihnen eine Wohnung. Als Unterkunft bekommen sie normalerweise nur ein Zimmer in einem abrissreifen Haus. Die Väter finden meist Arbeit auf dem Markt, aber der Lohn ist so gering, dass er für den Lebensunterhalt ihrer großen Familien nicht reicht. Niemand in der Familie spricht Russisch. Um in die Schule aufgenommen zu werden, müssen die Kinder einen Sprachtest ablegen, den sie nicht bestehen - wie auch?!
Bei Schwester Josuela im Kinderzentrum "Narnja" in Novosibirsk finden 38 Migrantenkinder im Alter von 5-14 Jahren liebevolle Aufnahme und einen Platz, an dem sie lernen und spielen können und in das Leben und die Kultur ihres neuen Heimatlandes eingeführt werden. Wenn sie dann ausreichend gut Russisch sprechen, begleiten die Mitarbeiter die Kinder zur Aufnahmeprüfung in die Schule. Im Kinderzentrum bekommen sie täglich Hilfe bei den Hausaufgaben.
Bis vor eienm Jahr gab es eine Russischlehrerin im Team. Sie hat mit jedem Kind einzeln gearbeitet und in kleinen Gruppen. Mit ihrer Hilfe haben sie schnell große Fortschritte gemacht beim Erlernen dieser fremden Sprache. Die Finanzierung dieser Stelle aus dem Präsidentenfonds ist ausgelaufen. Die Caritas kann die nun fehlenden 400 Euro im Monat, um den Lohn und die Lohnnebenkosten selbst zu finanzieren, in ihrem sehr knappen Budget nicht aufbringen.
Für Schwester Josuela ist es nicht leicht, jeden Tag die vielen hungrigen Kinder satt zu bekommen. Das Menü ist deshalb sehr einfach: Spaghetti mit Tomatensoße und ein süßes Brötchen. Bei Festen gibt es noch einen Joghurt als Nachtisch. Das ist preiswert und macht alle satt. Viel Abwechslung im Speiseplan gibt das knappe Budget nicht her. Die Kinder beklagen sich nicht darüber. Für sie ist es wichtig, sich satt essen zu können. Ein Mittagessen für ein Kind kostet 1,00 Euro.
Alle Kinder haben in ihren armseligen und sehr beengten Wohnverhältnissen keine Möglichkeit zu duschen oder zu baden. Damit die Kinder in der Schule nicht gehänselt werden wegen ihres unangenehmen Geruchs, ist es wichtig, dass sie im Kinderzentrum duschen und die Haare waschen können. Dazu braucht Schwester Josuela pro Woche eine Flasche Shampoo und eine Flasche Duschgel, beides kostet zusammen 3 Euro. Zum Weihnachtsfest wünscht sie sich dringend einen neuen Föhn.
Zum Inkulturations-Programm für die muslimischen Kinder gehört neben einem Besuch in der Moschee auch ein Besuch in einer russisch-orthodoxen Kirche. Am interessantesten ist für die Kinder jedoch der Besuch der katholischen Kirche in der Weihnachtszeit.
Die Kinder stellen viele Fragen: "Warum liegt da ein Kind in der Krippe?" oder "Was macht Gottes Sohn am Kreuz? Warum wurde er umgebracht?" oder "Was ist das - Weihwasser?". Schwester Josuela erklärt ihnen mit einfachen Worten christlichen Glauben und christliche Traditionen. Das ist wichtig, wenn sie nun in einem christlichen Land leben. Den Weihnachtsbaum und die Krippe schauen sie sich immer wieder in der Kirche an, denn das Kinderzentrum kann sich keinen Christbaum leisten. Ein Bäumchen von 1,50 m Größe würde 33 Euro kosten - dafür kann Schwester Josuela ein Kind einen Monat lang ernähren. Die Kinder freuen sich schon jetzt auf das Neujahrsfest, das im russisch-orthodoxen Russland traditionell größer gefeiert wird. An diesem Tag gibt es als Mittagessen für alle "Plow". Das ist Reis mit Hühnchenfleisch.
Bedrückend bleiben die Zukunftsaussichten für die Mädchen. Entsprechend der Tradition ihrer Herkunftsländer dürfen die Mädchen die Schule nur besuchen bis sie 14 oder maximal 15 Jahre alt sind. In diesem Alter werden sie verheiratet. Ihre Aufgabe ist es dann, viele Kinder zur Welt zu bringen und sie zu erziehen, auch wenn das Einkommen ihres Mannes nicht für den Lebensunterhalt reicht. Im Kinderzentrum und in der Schule erfahren die Mädchen, dass sie in Russland die Möglichkeit haben, weiter zu lernen und eine Berufsausbildung zu machen. Es kostet sie sehr viel Kraft in ihrer Familie über eine solche Perspektive zu reden und zu verhandeln. Manchmal lassen sich die Eltern darauf ein, dass ihre heranwachsende Tochter den Beruf der Friseurin oder Kosmetikerin lernt, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Doch daraus wird dann nichts, weil die Familie kein Geld hat für das notwendige Handwerkszeug, das rund 50 Euro kostet. Besonders bedrückt hat die Mitarbeiter das Schicksal von Karima, die sich in der Schule mit viel Fleiß zu einer guten Schülerin entwickelt hat. Sie ist begabt und hat davon geträumt, eine Ausbildung zur Buchhalterin zu machen. Doch Voraussetzung für diese Ausbildung ist es, einen eigenen Computer zu haben. Es stimmt die Mitarbeiter traurig, wenn eine Lebensperspektive an einem fehlenden Computer scheitert, aber sie geben nicht auf. Hoffen auf die Hilfe dessen, der im Stall geboren wurde.
Die Armen-Schwestern vom hl. Franziskus engagieren sich mit ihrer Sibirienhilfe für die seelische und körperliche Not der Menschen in Sibirien. Ordensschwestern der Gemeinschaft haben über viele Jahre die Caritasarbeit im postkommunistischen Russland aufgebaut. Inzwischen leben und arbeiten die Schwestern wieder in Deutschland, aber die Verbundenheit und der Kontakt bleibt, und auch die Nöte und Sorgen der Menschen wurden nicht vergessen. Weitere Infos zur Sibirienhilfe finden sich auf der Webseite des Ordens: www.schervier-orden.de