Nach einer Pause erzählen die Naporuna die Legende ihrer Kar- und Osterwoche weiter - den Anfang hatten wir ja schon gehört (Nr. 25):
Väterchen Gott weiß, dass sie hinter ihm her sind.
Die Geister hatten schon seit Urzeiten immer versucht, es ihm gleichzutun. Wenn er etwas Großartiges erschaffen hatte, versuchten sie dasselbe. Aber es gelang ihnen nie. Was ein Puma werden sollte, war eine Maus geworden und was Bäume werden sollten, wurde etwas Grünzeug am Boden. Die Menschen lachten darüber. Die Geister hatten es satt. Sie wollten endlich die Einzigen sein, die in der Welt was zu schaffen haben. Väterchen Gott musste verschwinden!
Der ist jedoch erstmal im Moor verschwunden, im riesigen überfluteten Urwaldmoor. Mit seinem Stock springt er von Wurzel auf ein Inselchen und von Baumstamm zu Baumstamm. Einer der Geister kann riechen wie ein Hund. Er hat die Spur aufgenommen und alle sind hinterher. Aber sie schaffen es nicht, zwischen Inseln und Bäumen durchzukommen. Sie müssen Bäume fällen, viele Bäume, dicke Bäume, arbeiten wie die Wahnsinnigen, um die gefällten Baumstämme als Brücken hinzulegen und darüber balancieren zu können. Es wird Abend und sie sind mitten im Moor. Sie müssen umdrehen, am Rand des Moores übernachten und am nächsten Tag weitermachen.
Am Morgen trifft sie fast der Schlag. Alle Bäume, die sie geschlagen haben, stehen wieder aufrecht. Keine Brücke durchs weite Moor!!! Sie müssen von vorn beginnen. "Das passiert uns nicht nochmal!" sagen sie und beschließen am Abend, auf den gefällten Baumstämmen zu übernachten. Kaum wird es dämmerig, hören sie das Summen - zssszs - Mücken, Bremsen, Flöhe und auch Mama Vogelspinne kommen nachsehen, was die Besucher so machen, und die Augen der Krokodile leuchten im Mondlicht ringsum.
Als das Grauen sie fast starr gemacht hat, beginnt der nächste Morgen und endlich kommen sie aus dem Moor. "Hier muss er sein!" sagt der Schamane unter ihnen. "Ich seh ihn vor mir." Aber finden können sie ihn nicht. Väterchen Gott beobachtet sie und lacht. Er sitzt auf der Spitze des Urwaldriesen Ceibo. Das ist der Gottesbaum. "Ich muss ihnen ins Gesicht sehen. Ich kann mich nicht mein Leben lang verstecken," denkt er vor sich hin, und spuckt mit einem Mal dem Geist unter ihm direkt auf den Kopf. Wütend sieht der nach oben und - plitsch - nochmal direkt ins Gesicht. Jetzt haben sie ihn! Flink wie die Affen sind sie oben, werfen ihn hinunter, binden ihm unten Hände und Füße zusammen und treten nach ihm.
"Hier, nimm die Lanze. Stoß sie direkt ins Herz!" sagen sie dem fast Blinden unter ihnen. Alle anderen wollen plötzlich nicht mehr tun, was alle tun wollen. Der Blinde will es sich nicht verderben mit seinen Freunden und sticht zu. - - - Das Blut spritzt ihm direkt in die Augen und - plötzlich kann er sehen!!! In einem Augenblick sieht er sein ganzes Leben vor sich und Väterchen Gott - tot. Er schreit: "Ich hab Väterchen Gott umgebracht! Ihr habt mir gesagt, dass ich es tun soll! IHR! Aber ICH hab es getan!" Weinend und schreiend läuft er weg, mit diesen Freunden will er nichts mehr zu tun haben. Er kann sehen.
Die Freunde schaufeln ein riesiges Loch in den Urwaldboden, schmeißen Väterchen Gott hinein, werfen dicke Stämme und Äste hinterher und stampfen die Erde fest, sehr fest. Der soll nie wieder rauskommen. Nie wieder! Nicht wie die ganz großen Schamanen, die nach ihrem Tod das Grab verlassen und in Puma oder Adler verwandelt weiter nach ihrem Volk sehen. Der nicht!!!
Sie sind endlich die Einzigen, die in dieser Welt was zu schaffen haben.
Väterchen Gott ist tot!!!