"Fällt Weihnachten aus?", titelt eine Kolumne der Eifelzeitung schon Mitte November, um dann gleich anzuschließen: "Wahrscheinlich ist es noch zu früh, Weihnachten im Geiste aufzugeben."
Und jetzt? Haben wir es aufgegeben? Oder doch nicht? Oder noch nicht?
Was ist das für ein Weihnachten, das ausfallen kann? Ein Ding, ein technischer Apparat, ein Termin können ausfallen. Weihnachten ein Ding, ein technischer Apparat, ein Termin? Dann ist Weihnachten schon längst tot, bevor überhaupt eine die Frage gestellt hat.
Ist Weihnachten etwa lebendig?
Am Anfang war es das Wort für ein Fest, das man feiert, weil das Leben selbst neu geboren wird, egal ob in Kälte, Frost oder Dunkelheit, egal ob im Schafstall, Hotel, Palast, Stelzen- oder Reihenhaus. Solange Leben ist, kann es neu geboren werden.
Solange wir lebendig sind, kommt es auf uns zu. Die Frage ist, ob es ankommt.
Neun Abende laufen sie durch das kleine Städtchen Nuevo Rocafuerte am Napofluss und durch viele andere Städte und Dörfer Ecuadors. Als ob die ganze Gruppe eine schwangere Frau wäre, tragen sie die Figur des Weihnachtskindes im Körbchen mit wundervollen Tüchern bedeckt von Haus zu Haus. Sie suchen eine Bleibe, wenigstens für eine Nacht, für das Kind. Sie singen Weihnachtslieder, die das Kind im Körbchen wiegen und in den Schlaf singen sollen, während sie durch die Straßen gehen. Die Leute rundherum sollen aufmerksam werden, mitsuchen, mitsingen, mitgehen bis dahin, wo das Kind heute bleiben kann. Eine Familie hat sich bereit erklärt, es aufzunehmen diese Nacht und mit ihm die ganze Gruppe zum Singen, für einen heißen Tee und ein paar Süßigkeiten. Während das Weihnachtskind auf dem Tisch oder im Heiligeneckchen schläft, segnet es hoffentlich dieses Haus. Sein Segen bleibt, aber das Kind kann nicht nur in einem Haus bleiben. Die Gruppe holt es am nächsten Abend wieder ab, um weiterzusuchen. Wer nimmt es auf? Wo kann es sonst noch ankommen?
Wenn wir es im Geiste nicht aufgegeben haben, kann da auch auf uns noch was zukommen. Wilhelm Willms, der Sprachspieler aus Heinsberg, macht eine
andeutung
der kahle strauch, die spur im schnee,
das wunderblatt im grünen klee,
sie deuten an, sie deuten an,
dass noch etwas kommen kann.
die stille nacht, das liebespaar,
das mädchen mit dem stroh im haar,
sie deuten an, sie deuten an,
dass doch noch etwas kommen kann.
der mann der träumt, die schwangere frau,
die dürrzeit, der morgentau,
sie deuten an, sie deuten an,
dass doch noch etwas kommen kann.
das licht im haus, die offene tür,
der tisch gedeckt, ein platz bleibt leer,
das deutet an, das deutet an,
dass doch noch einer kommen kann.