In Ecuador läuft der Wahl-Krimi, live auf den Straßen, in den Büros der Wahlbehörden, in den Medien, in Dorfversammlungen und Chatgruppen.
Seit der ersten Wahlrunde am 7. Februar warte ich jeden Morgen gespannt und gebannt auf die Ecuadornachrichten der vergangenen Nacht. Wie ging es weiter? Alle zwei bis drei Tage kommt eine völlig unerwartete Wendung und, wenn dieser Text im Blog erscheint, ist wahrscheinlich alles schon wieder ganz anders. Da kann noch viel passieren bis zur Präsidentschaftswahl am 11. April.
In der ersten Wahlrunde muss ein Kandidat mehr als 50% der Stimmen bekommen, sonst gibt es eine zweite Runde, in der die beiden Bestplazierten zur Stichwahl antreten.
Der Kandidat mit den meisten Stimmen ist Arauz mit 32%. Er ist der Kandidat des Expräsidenten Rafael Correa, der es von 2007-2017 verstanden hat, mit seiner Regierung aus jungen studierten Experten, mit linksgerichteten Slogans einen rechtsgerichteten autoritären Staat zu errichten, der den großen Konzernen und vor allem seiner eigenen Regierung den rechtlichen und organisatiorischen Rahmen gab, das Land auszubeuten auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung und zugunsten seiner Parteifreunde und Experten.
Der Zweit- und Drittplazierte haben jeweils 19% plus einige wenige Stimmen. Der zweite Platz der Stichwahl ist also hart umkämpft zwischen dem Banker und Politiker der alten Boden- und Unternehmerelite Lasso und dem Indígena-Juristen und Politiker Perez. Zur Zeit gibt die Wahlbehörde Lasso Recht, während Perez ihr vorwirft, Wahlbetrug zu decken und den Vorgang vor dem Wahlgericht prüfen lässt. Die Indígena-Bewegung und ihre Partei Pachakutik gehen auf die Straße und fordern "Transparenz in Demokratie".
Die Ursprungsbevölkerung - oft Indígenas genannt - ,die in Ecuador etwa die Hälfte der Bevölkerung ausmacht, hat eine andere Vorstellung und jahrhundertelange Erfahrung mit Demokratie. Ein gewählter Präsident ihrer Gemeinden hat nur für kurze Zeit die Macht, muss immer wieder in großen Versammlungen beraten, verhandeln und die Mehrheitsentscheidungen umsetzen. Ein Indígena-Präsident muss sich um die konkreten Lebensumstände der Menschen und ihrer Umgebung kümmern. Er muss Leben ermöglichen, direkt und vor Ort: Essen, Gesundheit, Wasser, Wohnen, Energie, Arbeit, Transport und Handel zwischen Land und Stadt. Beziehungen zu Konzernen oder anderen Ländern müssen diesen Zielen dienen. Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen wie Urwald, Flüsse, Wasser, Moore, Berge können da keinen Platz haben. Am 10. März wird die Indígenabewegung in Vollversammlung aller Delegierten und Interessierten mit Abstand und Hygieneregeln darüber reden und entscheiden, wie es weitergehen soll in Ecuador. Sie haben die Wahl!
Gleichzeitig wachsen hier in der Südeifel die Wahlplakate aus dem Boden. Auch wir haben die Wahl - Landtag am 14. März und Bundestag am 26. September.
Ich bin erschrocken, wie sehr wir in Deutschland glauben, es gäbe sowieso keine gangbaren Alternativen. Selbst die Worte "Alternative" oder "Demokratie" sind verdächtig geworden. Mitmenschen vereinnahmen sie für sich und andere haben Angst, mit diesen in eine Ecke geschubst zu werden.
Demokratie ist die Frage, wie WIR unser Land regieren wollen.
WIR haben die Wahl!!!