Der Herbst ist am Ende. Es ist kalt und grau in der Eifel. Der erste Frost hat längst schon Eiskristalle an tote Blätter geblitzt.
Gestern habe ich meiner Nachbarin auf der Straße gesagt, wie schön ich die kleine Rose in ihrem Garten finde, die gerade vor ein paar Tagen noch aufgegangen ist. Da hatte die Sonne für einige Stunden den Nebel vertrieben. "Hmm", meint sie, "das ist doch Unkraut. Im Sommer, jaah, da waren die Rosen schön!" Ja, das waren sie, ein Blütenmeer. Aber jetzt leuchtet vor meinem Fenster eine einzige, ganz kleine Rose im Nebel.
Kurz vor Ostern wurde den Menschen in Ecuador am Napofluss plötzlich schwarz vor Augen, als sie ihren Fluss ansahen. Eine dicke Schicht Rohöl floss den Fluss hinunter, blieb hängen an Sandbänken, Ufergras, toten Fischen, barfüßigen Kindern und Fischern und an den gelben Gummistiefeln der Erdölfirma.
Bei einem Erdrutsch, waren drei Erdölpipelines zerbrochen und etwa 20 000 Fass Rohöl in den Fluss geflossen. Innerhalb weniger Stunden hatten die Provinzhauptstadt Coca und mindestens 200 Naporunadörfer am Flussufer überall verseuchtes Wasser, zum Trinken, Waschen, Baden, Fischen und in den Gärten. Sie waren gerade mitten im ersten Coronaschock, dann wurde alles schwarz. Das schwarze Gold des Amazonaswaldes floss durch seine Adern - - -
Der Staat und seine Erölfirma machten nichts. Die Fernsehsender brachten nichts. Nur, dass durch den Pipelinebruch Mindereinnahmen des Staates zu befürchten wären, das war eine Nachricht wert.
Und plötzlich wurde eine Stimme geboren aus dem Schweigen, in dem sich die Naporuna seit Jahrzehnten verfangen hatten. Sie hatten versucht, sich mit der Erdölfirma, dem Staat, der Modernisierung zu arrangieren, hatten immer wieder verloren. Sie hatten Bedingungen und Verträge erfüllt und auf Erfüllung der anderen Seite gehofft - umsonst! "Basta!" Eine junge Dorfpräsidentin, Verónica Grefa, ruft die Leute ihres Dorfes auf die Straße. Leute aus anderen Dörfern kommen dazu. Sie schreit ihren Protest in das tragbare Mikrofon in ihrer Hand. Zusammen mit Menschenrechtsanwälten und Kirche formulieren sie eine Anklage gegen den Staat, verlangen Säuberung und Entschädigung. Das Gericht zögert den Prozess hinaus. Als es endlich zur Urteilsverkündung kommt, wird die Anklage abgewiesen. Die Naporuna könnten nicht nachweisen, dass sie geschädigt worden seien.
Aber die Stimme ist geboren. Verónica macht weiter. Die Naporuna machen weiter. Die Anwälte gehen in die Berufung. Mit welcher Hoffnung? Die muss verrückt sein!
"Die Hoffnung macht als letzte die Tür zu", heißt es in Lateinamerika. Währenddessen, auf dem Weg, haben sie ihre Würde wiedergefunden - - -
Ein Wort vom Propheten Jesaja wurde im Advent manchmal aus der alten Bibel gezogen und neu gesungen:
"Aus dem Baumstumpf wächst ein Spross, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. Der Geist ruht auf ihm." (Jes 11,1f)