Wege aus häuslicher Gewalt

Psychosoziale Beratung durch die Caritas Sibirien

Saira und ihr jüngster Sohn. Gemeinsam mit ihren vier weiteren Kindern wohnt sie derzeit im Mutter-Kind-Heim in Novosibirsk. (c) SPSF
Saira und ihr jüngster Sohn. Gemeinsam mit ihren vier weiteren Kindern wohnt sie derzeit im Mutter-Kind-Heim in Novosibirsk.
Datum:
Di. 8. Apr. 2025
Von:
Von: Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus

Viele Jahre lang lebte Saira mit ihrem Mann zusammen, der sie schlug und demütigte. Sie hoffte immer wieder auf Besserung, doch die Gewalt eskalierte. Erst als ihr siebenjähriger Sohn nach einer „Lektion“ des Vaters auf der Intensivstation lag, fasste sie den Entschluss, sich und ihre Kinder zu retten. Heute baut sie mit der Unterstützung der Caritas ein neues Leben auf. Doch der Weg in die Freiheit war lang und voller Angst.

Saira wurde in einem kleinen kirgisischen Dorf geboren. Sie beschreibt ihre Kindheit als „normal“, doch Gewalt war in ihrer Familie allgegenwärtig. Als ihre Eltern sie mit einem angesehenen Mann verheirateten, hatte sie noch Hoffnung auf ein glückliches Leben. Doch bereits kurz nach der Hochzeit begann ihr Mann, sie zu schlagen. Anfangs waren es leichte Ohrfeigen, doch mit der Zeit wurden die Angriffe brutaler. Schwanger oder nicht, es spielte keine Rolle. Sie schwieg, wie es ihr als Kind beigebracht wurde. 

Eine Scheidung kam nicht infrage, zu groß war die Schande für ihre Familie. Als sie einmal Zuflucht im Haus ihres Vaters suchte, wurde ihr schnell klar, dass sie dort nicht bleiben konnte. Also kehrte sie zu ihrem Mann zurück und ertrug die Hölle weiter.

Der Kreislauf häuslicher Gewalt folgt oft demselben Muster. Es beginnt mit Kritik und Kontrolle: Der Mann bestimmt die Finanzen, isoliert die Frau von Freunden und Familie. Dann folgen Beleidigungen, Drohungen und Misshandlungen. Nach der Gewalt kommt eine Phase der „Flitterwochen“ - der Täter entschuldigt sich, macht Geschenke, verspricht Besserung. Die Frau glaubt ihm und hofft auf einen Neuanfang. Doch der Kreislauf beginnt von vorn, und die Gewalt nimmt mit der Zeit zu. 

Saira lebte jahrelang in diesem Teufelskreis. Ihr Mann wurde zum Alkoholiker, arbeitete nicht mehr, während sie allein die Familie versorgte. Der Wendepunkt kam, als sie eines Abends nach Hause kam und ihren siebenjährigen Sohn bewusstlos am Boden fand. Sein Körper war von blauen Flecken übersät. Erst jetzt wurde ihr klar: Wenn sie bleibt, überleben sie nicht.

Doch die Flucht war schwierig. Sie schaffte es, ihren Mann für einige Monate in eine Entzugsklinik zu bringen und ging dann mit ihren Kindern nach Russland, um dort zu arbeiten. Doch statt Sicherheit fand sie dort noch tiefere Verzweiflung: schwanger mit ihrem fünften Kind, ohne Einkommen, mit hungernden Kindern und einem Ehemann, der sie weiterhin kontrollierte. In ihrer Not wandte sie sich an die Caritas.

Hier erlebte sie zum ersten Mal seit Jahren Sicherheit. Ihre Kinder hatten ein warmes Zuhause, sie selbst wurde mit Respekt behandelt. Die Psychologen halfen ihr, ihre Angst zu verarbeiten und die Auswirkungen der Gewalt auf ihre Kinder zu erkennen. Ihre älteste Tochter hatte gelernt, Demütigungen still zu ertragen, während ihr Sohn, der so oft misshandelt wurde, selbst andere Kinder schlug und demütigte. Diese Erkenntnis gab Saira die Kraft, endgültig zu handeln. Noch während ihrer Schwangerschaft reichte sie die Scheidung ein.

„Ich bereue nur, dass ich nicht früher gegangen bin“, sagt Saira heute. „Meine Familie verurteilt mich dafür, aber ich werde nie zurückkehren.“ Schritt für Schritt baut sie ihr Leben neu auf: Sie hat eine Arbeit gefunden, ihre Kinder gehen in die Schule, sie beantragt Unterstützung und plant, mit dem Mutterschaftsgeld ein eigenes Zuhause zu finanzieren. Die Psychologen der Caritas stehen ihr weiterhin zur Seite.

Die Armen-Schwestern vom hl. Franziskus engagieren sich mit ihrer Sibirienhilfe für die seelische und körperliche Not der Menschen in Sibirien. Ordensschwestern der Gemeinschaft haben über viele Jahre die Caritasarbeit im postkommunistischen Russland aufgebaut. Inzwischen leben und arbeiten die Schwestern wieder in Deutschland, aber die Verbundenheit und der Kontakt bleibt, und auch die Nöte und Sorgen der Menschen wurden nicht vergessen. Weitere Infos zur Sibirienhilfe finden sich auf der Webseite des Ordens: www.schervier-orden.de