„Ein Leben auf der Straße ist sehr hart.“ Jan Vander und Sophie Bollmann wissen wovon sie sprechen. Die Mitarbeiter der Diakonie Krefeld und Viersen sind zuständig für die Bahnhofsmission und kümmern sich um die betroffenen obdachlosen Menschen. „Diese Menschen richten sich in diesem Leben notgedrungen ein“, berichten sie.
Dieser Umstand führe dazu, dass es kaum Möglichkeiten gebe, diesen Kreislauf zu durchbrechen und sich auf einen besseren Weg zu machen. In vielen Städten sieht man wohnungslose Menschen in Fußgängerzonen oder an öffentlichen Plätzen, an denen viele Menschen vorbeikommen. Meist bitten sie um eine Spende. „Das Leben straßenobdachloser Menschen ist sehr zeitintensiv, weil sie täglich viele Wege gehen müssen“, erzählt Jan Vander. Von der Notschlafstelle aus suchen sie meist einen Tagesaufenthalt wie in der Bahnhofsmission. Oder sie gehen zum Arzt, zu einem Postfach oder einer Beratungsstelle. Alle Wege erledigen sie zu Fuß und müssen immer auch schauen, wo sie ihre Habseligkeiten lagern können.
Die Bahnhofsmission am Krefelder Bahnhof gibt es seit 1907. Sie ist für diejenigen ein wichtiger Anknüpfungspunkt, die sich im öffentlichen Raum aufhalten oder darin unterwegs sind. „Dazu gehören auch Menschen, die eine Wohnung haben, sich aber dennoch viel draußen aufhalten wie Flaschensammler oder Menschen, die ansonsten wenig soziale Kontakte haben und einsam wären“, berichtet Jan Vander. Auch psychisch Kranke oder Drogenabhängige sind darunter. Das offene Café ist für sie täglich vormittags geöffnet und bietet ein warmes Getränk und für ein paar Stunden einen trockenen Aufenthaltsort. Rund 50 Menschen treffen sich hier regelmäßig.
„Die Sorgen und Nöte, die unsere Gäste haben, sind oft ganz ‚basic‘: Wo bekomme ich das nächste Essen her? Wo kann ich heute schlafen? Wo kann ich einen Schlafsack oder eine warme Jacke bekommen? Das sind die Themen, mit denen wir hier konfrontiert sind“, erzählt Sophie Bollmann. Ein offenes Ohr haben, sich anhören, was los ist, vorsichtig miteinander ins Gespräch kommen und dorthin vermitteln, wo weitergeholfen werden kann, sei in der täglichen Arbeit wichtig. „Wir sind gut vernetzt hier in Krefeld und oft ein erster Wegweiser für Menschen, die sich im Hilfesystem noch nicht so auskennen“, erzählt die Koordinatorin. Daneben führen haupt- und ehrenamtlich Engagierte aber auch ganz normale Gespräche mit den Gästen, beispielsweise über das Weltgeschehen. „Das darf man nicht unterschätzen, das wird gebraucht, um dem Alltag ein wenig zu entfliehen. Viele unserer Gäste werden auf der Straße oft übersehen. Es ist für sie nicht üblich, ganz normale Gespräche mit Außenstehenden über alltägliche Dinge zu führen“, weiß Sophie Bollmann.
Die meisten Gäste der Krefelder Bahnhofsmission kennen sich schon viele Jahre. Sie achten aufeinander, haben Interesse aneinander und erkundigen sich beispielsweise nach stattgefundenen Arztterminen. „Für Menschen, die wenig soziale Beziehungen haben, ist es sehr wichtig, dass man sich für sie interessiert“, berichtet Jan Vander. Dabei entstehen auch Freundschaften, Partnerschaften und Wegbegleitungen, die oft für längere Zeit halten. Wie bei Detlef, der aus Berlin nach Krefeld kam und hier jahrelang wohnungslos in einem Zelt lebte. Mit Unterstützung der Bahnhofsmission bekam er eine eigene Wohnung, ließ den Kontakt aber nie abbrechen und kümmerte sich schließlich um den Außenbereich und das Vorbeet. Sehr berührend war auch der Besuch eines Mannes, der 400 Euro für die Bahnhofsmission spenden wollte, weil er vor 70 Jahren mit seiner Familie aus Ostpreußen kam und heimlich in der Bahnhofsmission Krefeld schlafen durfte.
Jetzt in der Adventszeit ist der Gastraum der Bahnhofsmission gut gefüllt. Das Team hat ihn festlich geschmückt und sorgt dafür, dass eine gemütliche Atmosphäre herrscht. Die Teammitglieder wissen: Oftmals ist die die Advents- und Weihnachtszeit eine angespanntere Zeit für ihre Besucher. „Klassischerweise verbringt man diese Zeit mit seiner Familie, und das ist etwas, das viele unserer Gäste nicht haben. Daran erinnert zu werden, ist emotional schwierig. Da ist bei manchen die Zündschnur kürzer“, erzählt Sophie Bollmann. Umso wichtiger ist das Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer, die noch Zuwachs gebrauchen können und auch am Heiligen Abend vormittags zwischen 10 und 13 Uhr eine Weihnachtsfeier für ihre Gäste ermöglichen.