Das Erlebte in die eigene Erfahrungswelt integrieren

Nach der Flut war das Katholische Beratungszentren Mönchengladbach an der Clara-Fey-Schule in Schleiden im Einsatz

Beratungsstelle (c) Bistum Aachen
Beratungsstelle
Datum:
Mi. 13. Juli 2022
Von:
Kommunikation Bistum Aachen

Unmittelbar nach der Flut war Generalvikar Dr. Andreas Frick im Hochwassergebiet unterwegs und besuchte dabei auch die Clara-Fey-Schule in Schleiden. Schnell wurde im Gespräch mit der Schulleitung klar, dass fachmännische Beratung und Unterstützung zum Schulbeginn nötig ist. Mit Hilfe von Ernst Schrade, dem ehemaligen Leiter eines Schulpsychologischen Dienstes, der bereits Erfahrungen mit Krisensituationen hatte, nahm das Katholische Beratungszentrum in Mönchengladbach die Herausforderung an. „Wir kommen aus der Erziehungs-, Paar- und Lebensberatung und hatten das Gefühl, mit diesen Kompetenzen sind wir gut aufgestellt“, sagt die Sozialpädagogin Irmgard Schmitz.

Der Kontakt war hergestellt und am letzten Ferientag nahm das Mönchengladbacher Team an der Gesamtlehrerkonferenz teil. Zunächst informierten sie über die psychischen Belastungen und Traumata und mit welchen Wirkungen und Folgen im Schulalltag gerechnet werden könnte. Es wurde über psychotraumatische Belastungen gesprochen, über Konzentrationsprobleme, emotionale Berührbarkeit, Angst- oder Schreckensreaktionen. Die Beraterinnen und Berater stellten das Kollegium auf das ein, was vielleicht kommen könnte. So gab es zum Beispiel die Sorge eines Sportlehrers, wie es sei, mit Schülerinnen und Schülern erstmals wieder in ein Schwimmbad zu kommen. Was können Wasser und ein geschlossener Raum bei den Kindern und Jugendlichen auslösen? Die Fachleute gaben Hilfestellung, wie man man im pädagogischen Alltag der Schule mit diesen und anderen Situationen umgehen kann. 

Es herrschte eine große Sprachlosigkeit

Als dann am ersten Schultag nach den Sommerferien die neuen Schülerinnen und Schüler eingeschult wurden und in kleinen Gruppen zum Schulgottesdienst kamen, waren immer auch zwei Fachkräfte des Beratungszentrums mit dabei. Die Expertinnen und Experten standen für Gespräche mit Eltern, Lehrerinnen und Lehrern und Schulkassen bereit. Eine Lehrerin bat zum Beispiel darum, in ihre Klasse zu kommen. Es herrschte eine große Sprachlosigkeit. Diejenigen, die von der Flut nicht unmittelbar getroffen waren, hatten Angst, etwas falsch zu machen, wenn sie mit Betroffenen das Gespräch suchen würden. „Es ist uns gut gelungen, die Schülerinnen und Schüler wieder miteinander in Kontakt zu bringen. Dass sie sich getraut haben, Fragen zu stellen. Dass das, was aus Angst und Vorsicht ins Stocken geraten war, wieder in Fluss gekommen ist,“ erinnert sich Psychologin Shirley Rheinhaus.

 

„Wenn ich an die Zeit an der Clara-Fey-Schule in Schleiden nach der Flut denke, fällt mir ein Bild ein. Das Bild von einem Hund, der in der Pause draußen in der Sonne steht und acht Jungs und Mädels um sich herum versammelt, die ihn alle streicheln. Und diese Ruhe, die das ausstrahlt.“ (Shirley Rheinhaus, Psychologin)

 

Der beste Türöffner war für das Mönchengladbacher Team allerdings Hund Silas. Der Therapiehund von Ernst Schrade konnte von den Schülerinnen und Schülern einfach mal in den Arm genommen und geknuddelt werden. Über ihn kamen Beratende und Betroffene in Kontakt und ins Gespräch. „Interessant war, dass wir auch viele Beratungsgespräche geführt haben, die mit der Flut an sich gar nichts zu tun hatten. Sondern wo es um familiäre Konflikte ging. Oder wo Schülerinnen und Schüler untereinander Probleme hatten. Wo sie ihre eigenen Nöte geschildert haben. Vielleicht ganz pragmatisch, weil wir gerade da waren. Oder weil Menschen durch solche Erlebnisse vielleicht dünnhäutiger sind. Ich fand es wirklich schön, dass wir in den paar Tagen so vieles abdecken konnten,“ berichtet Ulrike Marheinecke.

Raum und Möglichkeit für Beratung bieten

Beeindruckt waren die Mönchengladbacher, wie sehr die Schule ihnen Raum und Möglichkeit gegeben hat, Beratung anzubieten. „Das war ein sehr warmherziges Miteinander und eine große Offenheit uns gegenüber. Wir sind ja in dieses Schulsystem hinein gekommen, ohne jemanden zu kennen. Umgekehrt kannte uns auch niemand. Ich glaube, diese Offenheit, dass Hilfe da war, bot denjenigen, die Sorgen hatten, überhaupt in die Schule zu kommen, eine gute Möglichkeit,“ resümiert Therapeutin Ute Kray. In der Schule wurde nicht tabuisiert, sondern Raum gegeben. Ein geschützter Raum. In dem man aussprechen konnte, was woanders vielleicht nicht möglich war. Weil die Familie selbst genug Probleme hat. Oder weil Schuldgefühle da sind, da man selbst verschont geblieben ist.

„Gut, dass sie da sind!“

„Die Lehrer haben uns immer wieder zu verstehen gegeben: ‚Gut, dass sie da sind!‘“, berichtet Irmgard Schmitz. Die Anwesenheit des Mönchengladbacher Teams gab ihnen die Möglichkeit, sich vom ersten Schultag an wieder auf den Unterricht zu konzentrieren und den Kindern damit eine Alltagsstruktur wiederzugeben. In der Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern ging es darum, wieder in eine Alltagsstruktur zu finden und die eigene Resilienz zu stärken. „Letztlich ging es für die Kinder und Jugendlichen darum, das Erlebte in ihre Erfahrungswelt zu integrieren und zu begreifen, dass der Alltag und die Schule trotz des Erlebten weiter gehen,“ so Shirley Rheinhaus.

Vorgestellt: Das Katholische Beratungszentrum Mönchengladbach

Die Beratungsangebote des Katholischen Beratungszentrums Mönchengladbach sind seit mehr als 40 Jahren offen für alle, die Hilfe benötigen. Unabhängig von Alter, Familienstand, Religionszugehörigkeit oder Lebenssituation. Zum Team des Beratungszentrums gehören zwei Verwaltungskräfte und neun Beraterinnen und Berater: Diplom-Psychologen/-Psychologinnen, Diplom-Sozialpädagogen/-pädagoginnen, Diplom-Heilpädagogen/-pädagoginnen, Eheberater/innen und Diplom-Theologen/Theologinnen. Sie bieten eine qualifizierte psychologische Beratung, besonders in Einzel- und Paartherapie. Die Beratungen sind für Klienten kostenfrei. Im Gegensatz zu niedergelassenen Therapeutinnen und Therapeuten werden Beratungen nicht in Rechnung gestellt oder mit Krankenkassen abgerechnet. Stattdessen übernimmt die Katholische Kirche fast 90 Prozent aller anfallenden Kosten aus Kirchensteuermitteln. Eine weiter Finanzierung erfolgt über Spenden.

Montags von 9 bis 10:30 Uhr findet eine offene Sprechstunde statt; schwerpunktmäßig zur Erziehungsberatung. Für Familien, die dringend Hilfe bedürfen, steht je eine halbe Stunde zur Verfügung. Darüber hinaus arbeitet das Zentrum präventiv, beispielsweise mit dem Kurs „Kinder im Blick“, einem Gruppenaustausch für getrennte Eltern. Kooperationen in Form von offenen Sprechstunden und Gesprächsnachmittagen finden mit Familienzentren in Trägerschaft von Pro Multis statt.

Persönliche Beratungen sind derzeit möglich; im Bereich der Paartherapie gibt es Wartezeiten. Außenstellen hat das Beratungszentrum über Mönchengladbach hinaus für Lebens- Glaubens- und Paarberatung auch in Erkelenz und Heinsberg. Auf Wunsch hin können Gespräche per Telefon, Video, als Onlineberatung (via E-Mail) oder als „walk n’ talk“ durchgeführt werden.

Neue Beratungsanfragen können über die Onlineanmeldung eingereicht werden. Für weitere Fragen ist das Telefon werktags (außer samstags) von 9 bis 12 Uhr unter folgender Telefonnummer besetzt: 02161 - 89 87 88.