Aachen, (iba) – Sich nicht vom Weihnachtstrubel ablenken zu lassen, nicht vom Stillstand in der Politik, dazu hat Bischof Dr. Helmut Dieser in seiner Predigt in der Christmette aufgerufen.
Wochenlange Weihnachtsmärkte, dicht gedrängte Weihnachtsfeiern in Betrieben und Vereinen, überschmückte Straßen und Häuser, massenweise Weihnachtsgrüße per Post, die anstrengende Suche nach Geschenken, das perfekte Weihnachtsessen, die dauernde Berieselung mit weihnachtlichen Melodien, die überbordenden Spielfilmarrangements an den Festtagen im Fernsehen, all das funktioniere nur so gut, weil es uns Menschen ablenke. Es lenke ab z.B. vom Stillstand der Politik, der unendlichen Geschichte vom Brexit, von der dauernden Infragestellung der Großen Koalition in Berlin, vom Nicht-von-der-Stelle-Kommen der Energiewende und des Kohleausstiegs. Und sicher auch von den dauernden Querelen und Skandalen in der Kirche und im Bistum Aachen.
Eine andere Weise, sich gegen empfundenen Stillstand zu wehren, sei die Radikalisierung. Es werde lauter und unverschämter in den öffentlichen Auseinandersetzungen, Präsidenten und Regierungschefs kämen mit Lügen und immer dreisteren Behauptungen durch und würden deshalb gewählt, eben „weil sie draufhauen, weil sie alles durchziehen, was sie gelogen haben.“ Dann gebe es auch noch die mehr verborgenen stillen Radikalen, die den Neuen Menschen wollten, der eingefangen und überwacht werde in einer totalitären Ideologie und in einer totalitären digitalen Überwachung. „Freiheit gehört für sie abgeschafft. Völlige Gleichheit gehört festgezurrt. Aber nur wenige dürfen sie festzurren, am besten, es bleibt unklar, wer das ist.“
Ablenkung könne manchmal gut tun, aber auch verheerend und tödlich sein, wenn der Mensch sich ablenken wolle von seiner inneren Leere und Haltlosigkeit, wenn der Sinn im Leben nur noch außen sei im Lauten, Grellen, Schnellen und Übermäßigen.
Das Weihnachtsfest sei hier die große, ja vielleicht die größte Chance, betonte der Bischof. „Das ist der wirkliche Neuanfang. Ja, der Mensch kann neu anfangen. In einer neuen Generation, aber auch: in einer inneren Neugeburt.“ Die Armut dieses Kindes sei echt, und der Mann, zu dem es heranwachse, werde nie Gewalt anwenden, nie Reichtümer an sich reißen oder Menschen ausnutzen. Das Weihnachtsfest sage uns, so der Bischof: „Die Stille ist nicht leer, der Sinn bleibt nicht außen, sondern kehrt bei dir ein und die Lüge und die Ablenkung verlieren ihr letztes Wort.“
Die Botschaft von Bethlehem sei ungebrochen auch heute, das Licht der Heiligen Nacht leuchte nach innen, das Sanfte und Zerbrechliche dringe ins Herz und verwandelt uns. Aber, rief der Bischof aus: „Wir müssen das zulassen! Und das Zulassen beginnt damit, die Ablenkungen zu unterbrechen. Dann kann in der Stille und Leere die Sehnsucht allmählich wieder hervorkommen und sie wird uns nicht zerreißen, und das wirkliche Wünschen regt sich, und es wird uns nicht übersättigen, und das unverdorbene Beschenktsein ist da und wird nicht zum schalen hohlen Stress.“
Musikalisch gestaltet wurde die Christmette vom Aachener Domchor unter der Leitung von Domkapellmeister Berthold Botzet. Die Orgel spielte Domorganist Prof. Michael Hoppe. (iba / Na 084)