„Gott ist dort, wo kein Gott je hingehört“

„Vor dem Kreuz zu erkennen, dass ich ein Sünder bin und er auch meine Sünde beichtet, das ist keine Schande, sondern Gnade!“ , unterstrich Dieser in der Karfreitagsliturgie im Aachener Dom. (c) Christoph Schmid / unsplash
„Vor dem Kreuz zu erkennen, dass ich ein Sünder bin und er auch meine Sünde beichtet, das ist keine Schande, sondern Gnade!“ , unterstrich Dieser in der Karfreitagsliturgie im Aachener Dom.
Datum:
Fr. 18. Apr. 2025
Von:
Abteilung Kommunikation

Aachen. Nach Ansicht des Bischofs von Aachen, Dr. Helmut Dieser, kann das Kreuz uns Menschen vor dem Abgrund bewahren, in den die Welt mit all dem Bösen, das geschieht, stürzt. „Der Karfreitagsgottesdienst stiftet den Mut zu erkennen: Ich bin mitgefangen, bin mitbeteiligt daran, dass Jesus diesen einzigen Weg zur Erlösung der Welt freimachen, ja freileiden und freisterben muss“, unterstrich Dieser in der Karfreitagsliturgie im Aachener Dom. „Vor dem Kreuz zu erkennen, dass ich ein Sünder bin und er auch meine Sünde beichtet, das ist keine Schande, sondern Gnade!“

„Was immer geschieht, ist auch an Jesus geschehen“

Der Bischof betonte in seiner Predigt, dass der Gottesdienst am Nachmittag des Karfreitags  keine gewöhnliche Beisetzungsfeier sei, obwohl darin über das Sterben Jesu geklagt und sein Tod betrauert wird. Die Evangelien erzählten ausdrücklich über die Beisetzung Jesu. Josef von Arimathäa habe entgegen dem, was üblich war, Jesus vom Kreuz herabnehmen dürfen und ihn in einem Felsengrab ganz nah beim Golgotha-Hügel beerdigt. „Unser Gottesdienst am Karfreitag zur Todesstunde Jesu holt uns in diese Geschehnisse hinein. Geboren, um zu sterben, gestorben, um bestattet zu werden“, führte Dieser aus. „Was immer geschieht, ist auch an Jesus geschehen. So weit geht das Menschliche an ihm.“ Bei Jesus gehe es aber um etwas Einzigartiges, noch nie Dagewesenes, nicht von Menschen Ausgedachtes oder von Menschen Arrangiertes, das im Buch Jesaja in ganz unerhörter Weise zum Ausdruck gebracht werde: „Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt“, heißt es dort. „Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Vergehen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Züchtigung auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Der Karfreitag sei also keine Beisetzungsfeier, sondern übersteige, ja sprenge alles Begreifen, erklärte Dieser. „Gott ist dort, wo kein Gott je hingehört, denn Gott setzt sein Liebstes und Bestes, seinen Knecht, dem Bösen aus, schutzlos und uneingeschränkt.

Der Mensch, der sich selbst nicht mehr ertragen könne, nicht mehr in den Spiegel schauen wolle, das sei er. Der Mensch, der wegschaue und über sich selbst lüge, und ein anderer müsse dafür sterben, das geschehe an ihm.

„Wer das Böse tut, wer es mitmacht, wird es nie wieder los“

All das sind nach Auffassung Diesers die Eigenschaften des Bösen, das immer so tue, als ob es nicht anders gegangen wäre, und darum dafür sorge, dass es wieder so getan werden könne und solle.

„Wer das Böse tut, wer es mitmacht, wird es nie wieder los“, urteilte der Bischof.  „Immer muss dann gelogen werden, immer fangen sie dann an, sich selbst zu bedauern. Die Schuldigen sind die anderen. Die, die nichts Böses getan haben, die sollen dann schuld sein, dass ich das Böse tun musste.“ Als konkretes Beispiel nannte der Bischof Schulen und Kindergärten in Russland, in denen Propagandastunden, sogenannte „Gespräche über wichtige Dinge“, durchgeführt würden, in denen den Kindern von klein auf beigebracht werde, dass sie im gerechtesten und friedlichsten Land der Erde aufwüchsen, das nur gezwungen sei, sich gegen seine Feinde zu verteidigen. Die Teilnahme an diesem Unterricht sei verpflichtend, und Eltern die versuchten, ihre Kinder davor zu schützen, würden angezeigt. „Das Böse ist giftig“, schloss Dieser daraus. „Und immer will es auch die anderen mitvergiften, damit sein Gift das Normale ist, das einzig Richtige.“ Gegen dieses Gift komme keiner an, weil es zur Verharmlosung, ja zur Gewöhnung führe. Wir alle steckten in diesen Dynamiken, ob wir wollten oder nicht. Der Karfreitag sei, so der Bischof, eine große, alle einschließende, unsagbar schmerzhafte Beichte: Jesus erleide das Böse und lege es rückhaltlos bloß. Der nackte, ungedeckte Altar an diesem Tag sei ebenso ein Zeichen dafür wie das verhüllte Kreuz, das feierlich enthüllt werde. „Wie sollen wir uns verhalten vor dem Kreuz, das Jesus erleidet?“, fragte Dieser bohrend. Und seine eindeutige Antwort lautete: „Im Kreuz ist unser Heil, denn in ihm wirkt eine unbegreiflich verwundete göttliche Liebe.“

 

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