„Vernetzt und beherzt: gemeinsam für eine vielfältige und offene Gesellschaft“: Unter diesem Motto sind jetzt in der Citykirche St. Nikolaus in Aachen rund 60 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Verwaltung zusammengekommen, um über die Zukunft der Kirche unter veränderten Rahmenbedingungen zu diskutieren.
„Als wir diese Überschrift für den heutigen Tag gewählt haben, konnten wir noch nicht ahnen, dass die Messerattacke in Solingen uns als Gesellschaft ganz besonders erschüttern würde“, betonte Generalvikar Jan Nienkerke. Allerdings seien die Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen vorhersehbar gewesen. „Das Erstarken extremer und extremistischer Positionen – Polarisierung und Ausgrenzung, Gewalt gegen Politiker und Menschen, die sich frei bewegen und feiern möchten: Das alles gehört leider seit Langem zu einer unerträglichen Realität“, unterstrich der gebürtige Mönchengladbacher. Dies geschehe alles zum Schaden unserer freiheitlichen Demokratie. „Die Welt um uns herum – so scheint es – ist im Kleinen wie im Großen in eine gefährliche Schieflage geraten: nicht nur global, sondern auch hier bei uns.“ Von daher müsse es unsere gemeinsame Aufgabe sein, im täglichen Alltag gegen Ressentiments, rassistische Hetze und für einen handlungsfähigen Staat gemeinsam einzustehen.
Vor diesem Hintergrund könne die Kirche nicht die Augen vor der Realität verschließen. „Wenn wir uns ehrlich machen und die Situation in vielen unserer Gemeinden anschauen, dann müssen wir erkennen, dass wir irgendwie – ein paar Jahre – so weiter machen könnten wie bisher, es aber dann auch zu einem Ende kommen würde“, betonte Jan Nienkerke. Aus diesem Grund verfolgt das Bistum Aachen bereits seit mehreren Jahren einen konsequenten Veränderungsprozess. Ein Ergebnis ist unter anderem, dass ab dem 1. Januar 2025 insgesamt 44 Pastorale Räume an den Start gehen, in denen sich die Orte von Kirche als das Herz der Seelsorge entfalten können. „Wenn es uns gelingt, die Menschen dort abzuholen und mitzunehmen, wo sie stehen und für die Gemeindearbeit zu begeistern, dann brauchen wir uns keine Sorgen machen,“ schaute Nienkerke hoffnungsvoll in die Zukunft.
In der anschließenden Diskussion ging es um die neuen Pastoralen Räume im Bistum Aachen und die Frage, ob sich die Menschen innerhalb eines größer werdenden Gebildes noch ausreichend wiederfinden könnten. Auch die Wertschätzung für das Ehrenamt stand auf der Agenda. Hierzu Christian Bommers, Bürgermeister von Meerbusch: „Wenn das Ehrenamt stärker eingebunden wird, muss auch gewährleistet sein, dass die Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, nicht vor den Kopf gestoßen, sondern gehört werden in ihrem Engagement. Und dass deren Meinungen mitgenommen und im besten Fall, wenn sie umsetzbar sind, auch umgesetzt werden.“ Dr. Martin Plum, Bundestagsabgeordneter aus Viersen, ging in seinem Wortbeitrag auf die Größe der Pastoralen Räume ein: „Wenn sich die Kirche durch diesen Veränderungsprozess eben doch massiv aus der Fläche zurückzieht und sich möglicherweise am Ende ein Priester um eine Gemeinde mit teilweise bis zu 15 Kirchen kümmern muss: Wie soll denn Seelsorge unter diesen Bedingungen stattfinden? Zudem fehlt mir eine stärkere Konzentration auf das, was Kirche ausmacht: die frohe Botschaft.“ Was die Größe der Pastoralen Räume angeht, zeigte der Ökonom des Bistums Aachen, Martin Tölle, Möglichkeiten zur Aufteilung von Verantwortlichkeiten auf. Benjamin Fadavian, Bürgermeister von Herzogenrath, warnte davor, dass sich Kirche zu sehr mit sich selbst beschäftigt und wünschte sich: „Kirche sollte wieder mehr über Gott sprechen.“
Am Ende waren sich aber alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig, dass die Kirche immer noch ein relevanter Player innerhalb der Gesellschaft ist und für die Zivilgesellschaft einen wichtigen Beitrag leistet. „Menschenwürde, Personalität, Nächstenliebe: Das ist doch das, was Kirche ausmacht und was wir brauchen, damit unsere Demokratie so lebendig und so kraftvoll bleibt, wie sie jetzt noch ist“, unterstrich Dr. Martin Plum.