Aachen, 02.10.2021 – „Viele Warndreiecke, liebe Schwestern und Brüder, stehen am Rand unserer Lebensbahn. Wer Jesu Worten Glauben schenkt, kann und muss nicht alle Probleme dieser Welt lösen. Aber wir lernen, uns von Gott führen zu lassen, dem Schutzengel zu vertrauen.“ Dann, so Bischof Dr. Helmut Dieser in seiner Predigt während des Pontifikalamtes vor der Verleihung des Karlspreises an den Präsidenten von Rumänien, Klaus Iohannis, am Gedenktag „Heilige Schutzengel“, „gewinnen wir Mut, anzuhalten bei dem, der uns wirklich braucht, und beginnen, uns für ein anderes Schicksal einzusetzen.“
Das Warndreieck am Straßenrand sei nicht sehr beliebt. „Wir wollen nicht gern anhalten und uns den Ungewissheiten aussetzen, die der andere Mensch mit seiner Panne gerade erlebt. Wir sind froh, nicht selbst dieser andere mit der Panne zu sein. Wir sind froh, wenn schon jemand anders zum Helfen bereit ist.“ Er frage sich, ob nicht auch von einer solchen Atmosphäre in unserem Land zuletzt der Wahlkampf erfasst gewesen sei. Es gebe Krisen und Warndreiecke genug, etwa die Lasten der Pandemie, die Fragen des Lebensschutzes am Anfang und am Ende des Lebens, die unbeantworteten Fragen nach den weltweiten Migrationsbewegungen und darüber hinaus die feindselige Konkurrenz anderer Staatsmodelle gegen die Idee der Freiheit des Einzelnen und seiner unveräußerlichen Rechte. „Unser Wahlkampf war davon gezeichnet, solche Warndreiecke zu umgehen oder zu suggerieren, die je eigene politische Kraft habe oder kriege dies alles schon gut in den Griff, und wir, die Bürgerinnen und Bürger, könnten getrost noch lange so weiter fahren wie bisher. Woher kann unseren Politikerinnen und Politikern der Mut kommen, die Probleme beim Namen zu nennen und sie uns zuzumuten?“
Dazu gehöre, so Bischof Dieser, dass Hören, Reden, Tun einander vollkommen entsprechen müssten. „Doch das geht nur, wenn der Mensch, wenn ein ganzes Volk lernt, noch eine tiefere Stimme zu hören, zu achten und zu befolgen: die innere Stimme des Gewissens, das Angebot der Gebote Gottes, die Idee, dass er aus unserem Leben einen geraden Weg machen kann, er selbst uns beschützt und führt.“ Die unantastbare Würde, das unverlierbare Ansehen, die unveräußerlichen Menschenrechte jeder menschlichen Person von der Zeugung bis zum natürlichen Tod seien darin begründet und gesichert. „Sie sind unmittelbar zu Gott, ihr Schutzengel, Gottes Wille und Wissen um jeden Menschen, sind von und in Gott verankert und gewollt.“ Wer das glaube, habe einen mächtigen Antrieb, ja sogar selbst einen Schutzengel, um den Gefahren der Zeit zu begegnen und die Ängste und Bequemlichkeiten zu überwinden und sich einzusetzen für die, die Jesus die Kleinen nenne.
Er sei nicht an den Warndreiecken vorbeigefahren, sondern habe angehalten, sei ausgestiegen und habe kräftig angepackt, wandte sich Bischof Helmut Dieser an Präsident Klaus Iohannis. „Seit Ihrem Amtsantritt 2014 sind es die europäischen Werte und die Idee Europas, die Sie in Ihrem Land wirksam machen: die Idee von Demokratie, Rechtsstaat und Gewaltenteilung und damit eben einer unabhängigen Justiz. [….] Entschlossen und mit großer Tatkraft haben Sie in Ihrem Land die Menschen gegen die Korruption mobilisiert, die Vetternwirtschaft gebrandmarkt und schließlich ein Referendum über die Justizreform zur Stärkung des Rechtsstaates durchgesetzt und zum Erfolg geführt. Mit all diesen Leistungen haben Sie Ihr Land entscheidend nach vorne gebracht und die europäischen Werte im Motorraum der rumänischen Politik überzeugend zum Laufen gebracht. Für diese Verdienste erhalten Sie heute hier in Aachen den Karlspreis, und dafür gebührt Ihnen unser aller Respekt und unsere Dankbarkeit!“
„Wir alle, Schwestern und Brüder, überwinden durch den Glauben an Gott unsere Ängste und bekommen den Mut, die Warndreiecke ernst zu nehmen, die heute dringend beachtet werden müssen. Beten wir darum stets auch für die, die uns in Deutschland und in Europa künftig regieren! Dass Gottes Engel sie führe und sie in all ihren großen Verantwortungen lernen, auf seine Stimme zu hören“, schloss Bischof Dieser seine Predigt.