In den biblischen Weihnachtsgeschichten ist alles in Bewegung. Maria, Josef, die Hirten, die Sterndeuter: Alle sind unterwegs.
Die Wege sind verschieden. Sie haben ihre eigenen Zeichen: einen Engel, einen Stern. Sie haben ihre eigene Bedrohung: die Abweisung der Herbergsuchenden, die Nachtschrecken der Hirten, eine Falle für die Sterndeuter. Aber alle Wege haben dieselbe Verheißung: Sie führen alle zum Kind, genannt Jeschua, Gott rettet. Oder auch: Immanuel, Gott mit uns.
Am Anfang des Weges, den Maria und Josef gegangen sind, steht jenes Geheimnis, das in den Worten des "Angelus" (Engel des Herrn) eine einfache Sprache findet: "Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft, und sie empfing vom Heiligen Geist." Wir sprechen diese Worte tagtäglich in der Hoffnung, dass ihr Glanz über die Banalität unseres Alltags leuchte. Banal war tatsächlich der Anlass, weswegen Maria und Josef sich auf den Weg begaben. Ihr Weg war ein lästiger Behördenweg, eine Eintragung in eine Steuerliste. Kein Weg, wo mit viel Anteilnahme zu rechnen ist.
Ich denke, es gibt eine Möglichkeit, wie man einen Weg nach Betlehem gehen kann: einen ganz gewöhnlichen Weg, einen Eselsweg. Die Tage vor Weihnachten haben nicht nur ihren Zauber. Sie bringen auch eine Fülle von Verpflichtungen. Viel Abweisung gibt es in dieser Alltäglichkeit. Das menschliche Herz bietet nicht viel Platz. Oft wirst du nicht aufgenommen. Größer als unser Herz ist Gott. Auch der Eselsweg des Alltages kann zu dem Ort führen, wo es heißt: Gott ist mit uns. Hier bist du angekommen.
Der Weg der Hirten und Sterndeuter ist anders. Der Weg der Hirten ist voller Nachtschrecken und unvorherzusehendem Aufbruch, auch voller Verheißung und Frieden zugleich. Die Sterndeuter aber - ach diese Sterndeuter. Sicher, es sind Gottsucher, Nachdenkliche voller Beharrlichkeit. Aber sie machen so viele Umwege. Es sind typische Intellektuelle, die nie einer Diskussion aus dem Weg gehen können. Darum kommen sie so schlecht voran. Bis sie dann doch ihrer ursprünglichen Vision treu bleiben.
Welchen Weg werde ich zu Weihnachten gehen? Das ist die Frage. Einen alltäglichen Weg? Einen Weg des Friedens durch die Schrecken der Nacht? Einen fragenden Weg? Das sind die Fragen. Sind sie das wirklich?
Denn die Antwort wurde uns schon im Voraus gegeben: Nicht unser Weg ist so wichtig. Weihnachten ist nicht das Geheimnis der Wege des Menschen zu Gott, sondern das Geheimnis von Gottes Weg zu uns. "Gott mit uns", nicht: "Wir mit Gott", ist der Name des Kindes. Das ist die eigentliche Bewegung von Weihnachten: Das Wort, das ewige, ist Fleisch geworden. Es ist zu uns gekommen. Es hat unter uns gewohnt.
Aus: joop roeland, an orten gewesen sein. Texte zum Weitergehen. Otto Müller Verlag / Verlag Die Quelle, Salzburg Feldkirch 1999.