„Wenn wir als Kirche Zukunft haben wollen, geht dies nur über sozial-pastorale Projekte“

Pastoralreferent Johannes Eschweiler (c) Bistum Aachen
Pastoralreferent Johannes Eschweiler
Datum:
Di. 9. Aug. 2022
Von:
Stabsstelle Kommunikation

In der GdG Heinsberg-Oberbruch steht die Diakonie an erster Stelle. Bei einem Rundgang durch den Stadtteil berichtet Johannes Eschweiler über die enormen sozialen Umwälzungen der vergangenen Jahrzehnte und was nach dem Ende des einst größten Arbeitgebers übriggeblieben ist.

Der Heinsberger Stadtteil Oberbruch erlebte Anfang des 20. Jahrhunderts seinen wirtschaftlichen Aufstieg als großer Werksstandort der Enka-Glanzstoff, die später im Akzo Nobel-Konzern aufging. In den Hochzeiten beschäftigte das Unternehmen rund 8.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Um die immense Nachfrage nach Arbeitskräften bedienen zu können, warb der Konzern Menschen aus Südeuropa an - zunächst aus Griechenland, später aus Portugal.

Anfang der 2000er-Jahre begann der schleichende Abstieg: Das Werk wurde in einzelne Betriebe aufgespalten und dann in Teilen verkauft oder geschlossen. „Damit gingen auch die so genannten ‚einfachen‘ Tätigkeiten unwiederbringlich verloren“, sagt Johannes Eschweiler. Der Pastoralreferent leitet die Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) in Heinsberg-Oberbruch. Bei einem Rundgang durch den Stadtteil berichtet Johannes Eschweiler über die enormen sozialen Umwälzungen der vergangenen Jahrzehnte und was nach dem Ende des einst größten Arbeitgebers übrigblieb: eine Industriebrache mitten im Zentrum. Heute haben sich teilweise neue Firmen aus den Bereichen Verarbeitende Chemie, Kunststoffe und neue Materialien angesiedelt. Mit den Hochhäusern am Ortsrand ist zudem ein sozialer Brennpunkt entstanden. Auf der Haben-Seite profitiert Oberbruch aber immer noch von einer – im Vergleich zu seiner Größe – guten Infrastruktur. Eine gerade erst renovierte Festhalle ist hierfür genauso ein Zeichen wie das immer noch lebendige Vereinsleben. „Gerade letzteres trägt den Ort und wir als Kirche sind mittendrin. Dadurch dass an den drei katholischen Grundschulen einmal im Monat ein Gottesdienst stattfindet, bekommen unsere Kinder und Jugendlichen etwas von Glauben und Kirche vermittelt“, betont Eschweiler.

Dennoch: Als die Arbeitsplätze zu tausenden verloren gingen, sah Johannes Eschweiler sofort den Bedarf und die Notwendigkeit der Unterstützung. Aus diesem Antrieb heraus gründete sich im Jahr 2006 der Amos e.V. „Wir wollten den Betroffenen aber nicht nur Hilfe in der Not anbieten, sondern Menschen auch wieder in Lohn und Brot bringen, denn fehlende Arbeit ist die Hauptursache von Armut.“ So entstanden bis heute neben einer Lebensmittelausgabe und mehreren Amos-Shops in Oberbruch, Hückelhoven und Geilenkirchen auch eine Kleiderkammer, ein Mobilitätsprojekt, das Fahrräder und Zweirad-Zubehör sammelt und aufbereitet und mit „Clean-Up“ zudem ein Kooperationsprojekt mit der Stadt Heinsberg, in dem Langzeitarbeitslose beschäftigt sind. Mittlerweile arbeiten für Amos, das in eine gemeinnützige Genossenschaft umgewandelt worden ist, rund 60 Menschen im Haupt- und Ehrenamt.

Dieser Schwerpunkt im Bereich der Diakonie, so beschreibt es Johannes Eschweiler, sei nahezu einzigartig im Bistum Aachen und ein Markenzeichen der Region. Zu nennen ist hier auch die Flüchtlingshilfe mit dem Kirchenasyl im katholischen Pfarrheim in Oberbruch. „Wenn wir als Kirche eine Zukunft haben wollen, geht dies nur über sozial-pastorale Projekte“, unterstreicht Johannes Eschweiler und betont damit auch den kirchlichen Geist, der die Arbeit vor Ort im Besonderen trage: „Ohne die Kirche könnten wir das gar nicht machen!“. In Heinsberg-Oberbruch wird die Kirche vom Rand in die Mitte gedacht: „Wir stellen uns an die Seite der Armen und Vergessenen und machen diejenigen, die keine Perspektive haben, wichtig“, sagt Johannes Eschweiler. In diesem Sinne benennt Amos auch eklatante Missstände und hat ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen den Kampf angesagt. Hierzu zählen die in der Region tätigen Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter auf den Spargelfeldern genauso wie die zum Teil im Verborgenen arbeitenden 24-Stunden-Pflegekräfte (Live-Ins). Auf die Zukunft der zahlreichen Initiativen angesprochen, gibt Johannes Eschweiler eine zweigeteilte Antwort: „Auch wenn ich nicht glaube, dass wir überflüssig werden, sollte eine Tafel niemals eine Dauereinrichtung sein.“