Bischof Dr. Helmut Dieser ruft die Gläubigen am Ende des Heiligen Jahres auf, mitzuwirken an Gottes Werk:„Pilger der Hoffnung durften wir werden und sollen es auch bleiben“

Aachen. Nach Ansicht des Bischofs von Aachen, Dr. Helmut Dieser, kommt die Hoffnung vom Glauben an Jesus, der Gottes Werk vollbracht hat. „Und sie wird zu einer gemeinsamen Hoffnung, wenn wir Einzelne den Mut haben, uns dem Werk Gottes unterzuordnen, einzugliedern, mitzuwirken, alle mit den Gaben, die wir je persönlich empfangen haben“, betonte der Bischof im Festgottesdienst zum Abschluss des Heiligen Jahres mit dem Leitwort „Pilger der Hoffnung“ im Aachener Dom. „Pilger der Hoffnung durften wir werden und sollen es auch bleiben.“
In seiner Ansprache erinnerte der Bischof daran, dass der inzwischen verstorbene Papst Franziskus das Heilige Jahr 2025 an Weihnachten 2024 mit der Öffnung der Heiligen Pforte am Petersdom eröffnet hatte und der neue Papst Leo XIV. es am 6. Januar des kommenden Jahres abschließen werde. In allen Teilkirchen der Welt beschlössen die Bischöfe mit ihren Ortsgemeinden an diesem Sonntag das Heilige Jahr, wie die Kirche von Aachen es an diesem Tag ebenfalls in ihrer Kathedrale tue. „Heilige Zeiten im Leben der Kirche sind ja nichts, was in sich geschlossen bleibt, sondern sie sind wie eine geistliche Kur oder Reha, die lange positiv nachwirken soll“, erklärte Dieser. Der römische Beauftragte für das Heilige Jahr, Erzbischof Rino Fisichella, habe in einem frühen Resümee gesagt: „Sicherlich lässt sich bereits jetzt eine breite Beteiligung des Volkes Gottes erkennen, das von der Verkündigung der Hoffnung, die nicht enttäuscht, beseelt ist“. Bischof Dieser fragte in seiner Predigt: Wie geht das, beseelt zu werden von Hoffnung? Und was ist das für eine Hoffnung, die nicht enttäuscht? Wie aber spüren wir sogar gemeinsam, als Volk Gottes, eine solche Hoffnung, die zu so etwas wie zu unserer gemeinsamen Seele wird? Zugleich räumte Dieser ein, dass er mit diesen Fragen nicht im Trend der Zeit liege. „Der Zeitgeist und seine Bewegungen bringen derzeit viel eher die Menschen auseinander oder gegeneinander“, kritisierte der Bischof. „In der Weltpolitik geht es derzeit wenig um Hoffnung, sondern viel mehr um Überlegenheit, um Gesichtswahrung und Ideologie, die die einzige Wahrheit sein soll und gewaltsam durchgesetzt wird.“ In Deutschland attestierten die Menschen in Umfragen denen, die regierten, beständig schlechtere Werte. Immer mehr Menschen schienen hoch unzufrieden zu sein und sähen unser Land, ja das ganze europäische Projekt, auf einem absteigenden Ast. Im Kontrast dazu sagten aber viele Menschen, ihnen selbst gehe es eigentlich gut, sie seien zufrieden mit ihren derzeitigen Lebensumständen. „Ein solcher Kontrast zeigt, dass wir von einer gemeinsamen Hoffnung weit entfernt sind“, urteilte Dieser. „Im eigenen Lebensumfeld mag es noch stimmen, aber aufs Ganze gesehen fallen die Einschätzungen überwiegend negativ aus. Das führt zum Rückzug ins Private.“ Die Frage sei, wo Gläubige in dieser seltsamen Melange mit ihrem Heiligen Jahr, das sie zu Pilgern der Hoffnung machen und beseelen sollte, zu liegen kämen.
Dieser verwies darauf, wie das Besondere der christlichen Hoffnung im Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Kolossä beschrieben werde: „Alles, was ihr in Wort oder Werk tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Dankt Gott, dem Vater, durch ihn. Ihr Frauen ordnet euch den Männern unter, wie es sich im Herrn geziemt. Ihr Männer, liebt die Frauen, und seid nicht erbittert gegen sie. Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem, denn das ist dem Herrn wohlgefällig!“ Als anstößigstes Wort in diesem Brief bewertete der Bischof das „Ordnet euch unter“, vor allem, weil es einseitig an die Frauen gerichtet sei. „Darum zuerst: Diese Einseitigkeit kann und will auch ich nicht akzeptieren!“, stellte Dieser klar. „Das Verhältnis der Geschlechter können wir heute nicht mehr mit einseitigen Tugenden gestalten, sondern nur mit wechselseitigen.“ Dann aber bedeute die Formulierung: „Ordnet euch einander unter“ oder noch einmal anders „Ordnet euch dem unter, was ihr gemeinsam im Glauben an den Herrn gewählt habt“. Vorweg sage der Apostel Paulus ja, Wort und Werk, Reden und Wirken, Denken und Tun, sollten in unserem ganzen Leben aus unserer Zugehörigkeit zu Jesus entspringen, nie im Gegensatz zu Jesus stehen, sondern von seinem Evangelium beseelt sein.
„Dieses Unterordnen meint vor allem: glauben dürfen: Unsere Familie ist das Werk Gottes selber mit uns!“, hob der Bischof hervor. „Unterordnen sollen wir als Gläubige uns unter das, was wir im Glauben gewählt haben, damit Gott sein Werk an uns tut.“
„Das Fest der Heiligen Familie zeigt uns heute besonders den Heiligen Josef und seine Weise, wie er sich untergeordnet hat“, betonte Dieser. „Er hat die Berufung angenommen, Maria zu sich zu nehmen und für das Kind der Vater zu sein, der es schützt, nährt und fördert.“ „Immer geht es vor allem um das Kind und seine Mutter, um das, was durch die Propheten gesagt worden ist: Er wird Nazoräer heißen“, deutete der Bischof das Geschehen. „Das soll sich durch unser ganzes Leben ziehen. Auch im Alter bleibt es dann bei dieser Einordnung, die wir für unser Leben gewählt haben.“ Der Weisheitslehrer Jesus Sirach sage: „Wer den Vater ehrt, sühnt Sünden, und wer seine Mutter ehrt, sammelt Schätze“. Wer also alt geworden sei, falle nicht heraus aus der Ordnung, der wir uns unterordnen sollten: Die Nachkommen, die junge Generation überlasse dann die Alten nicht sich selbst. Schwäche und Begrenztheit des Lebens seien ja vor Gott keine Disqualifizierung, und die Starken akzeptierten, dass sie die Schwachen mittragen sollten. Und dieses Akzeptieren müsse von Gott kommen, von der Hoffnung auf ihn, von dem Wissen, dass er uns alle tragen wolle. „Wieviel gemeinsame Hoffnung gewinnt eine ganze Gesellschaft, wenn das Verhältnis der Generationen und der Geschlechter davon lebt, dass Starke und Schwache, Alte und Junge, Boomer und heute Geborene sich nicht rivalisieren, sondern wechselseitig einander unterordnen“, unterstrich Dieser. „Je mutiger wir das ergreifen und leben, desto mehr Hoffnung finden wir und strahlen wir aus. Dann geht es uns nicht nur im Privaten gut, sondern dann geht Hoffnung von uns aus auch für das Miteinander, für die heutige Welt und Zeit.“ Nie sei eine Zeit gottlos, nie werde der Name des Nazoräers erlöschen und vergessen, immer könne und solle man im Glauben mitwirken, dass Jesus erkannt werde, dass er beeindrucke, dass er im Herzen eine Veränderung zum Guten bewirke, dass er heile und versöhne, tröste und neue Lebensmöglichkeiten schenke. „Die Hoffnung kommt vom Glauben an Jesus, der Gottes Werk vollbracht hat“, schloss der Bischof. „Gott hat immer den längeren Atem! Er schafft denen, die auf ihn hoffen, unerwartet neue Lebensmöglichkeiten. Lassen wir uns gemeinsam von dieser Hoffnung beseelen, damit wir auch nach dem Heiligen Jahr Pilger der Hoffnung bleiben.“