Ob nun „prekär beschäftigt“ oder arbeitslos: diese schwierigen Lebensverhältnisse gehen oftmals einher mit Sinnverlust, mangelnder Anerkennung und keinerlei Planungssicherheit. Das es auch anders gehen kann, stellt Claudia Maria Lovinfosse jeden Tag eindrucksvoll unter Beweis. Denn auch wenn die 39-jährige Alsdorferin dies bereits erlebt hat und momentan noch keiner geregelten Arbeit nachgeht, ist ihr Leben alles andere als unstrukturiert. Anstatt traurig, enttäuscht und deshalb untätig zu sein, spricht die Mutter eines elfjährigen Sohnes davon, „der Captain des eigenen Lebens zu sein“. Dies gelingt ihr auch mit Hilfe von Projekten wie „Frauen stärken – in und für Erwerbsarbeit“, einer Initiative der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und der Pfarrei St. Castor Alsdorf. Es ist eines von mehr als 30 Projekten und Initiativen im Bistum Aachen, deren wichtige Arbeit aus den Mitteln des Solidaritätsfonds finanziert wird und die zahlreiche Menschen jeden Tag dabei unterstützt, ein eigenständiges Leben zu führen.
Rückblick: Die Realschule in Aldenhoven verließ Claudia Maria Lovinfosse mit einem Abschluss. Doch zwei begonnene Ausbildungen – zur Altenpflegerin und Pharmazeutisch-technischen Assistentin – blieben wegen einer Depression und Borderline-Störung unvollendet. Vom Vater ihres Kindes trennte sie sich kurz nach der Geburt. Vor acht Jahren dann der Zusammenbruch: die Wohnung und das Sorgerecht für ihren Sohn weg! „Ohne Kind und Familie – das war wirklich eine harte Zeit.“ Als einen Wendepunkt beschreibt die 39-Jährige ihre Zeit in einem Heim für Wohnungslose in Blankenheim (Clemens-Josef-Haus). „Dort habe ich angefangen, mit mir selbst Klartext zu reden und mir mein Leben ein Stück weit zurückzuerobern.“ Nicht weg-, sondern hingucken sollte von nun an das Motto sein. Der Richtungswechsel gelang und seit Ende 2020 lebt Claudia Maria Lovinfosse wieder in einer eigenen Wohnung in Alsdorf. „Endlich kann ich meine Familie unterstützen und regelmäßig mein Kind sehen.“ Dass sich ihr Leben mit dem Einzug in die feste Bleibe dramatisch verbessert habe, sei vor allem durch die Hilfe ganz vieler Menschen möglich gewesen. Hierzu zählt auch eine Mitarbeiterin von „Frauen Stärken – in und für Erwerbsarbeit“, einem Projekt der KAB im Bistum Aachen und der Pfarrei St. Castor Alsdorf, das Frauen in und für Erwerbstätigkeit stärken will. Einmal in der Woche nimmt sie an Wanderungen oder einer Yoga-Sitzung teil. „Die Menschen dort haben immer ein offenes Ohr für meine Belange und haben mir auch mit einem Bewerbungstraining geholfen“, so Lovinfosse.
Struktur und Halt findet die Alsdorferin darüber hinaus auch in künstlerischen Aktivitäten, wie dem Schreiben, Singen oder Basteln. An der Kunstaktion „Entdecke mich“ im Rahmen der Heiligtumsfahrt 2023 hat sie ebenfalls teilgenommen. Dort sollte eine Holzkiste gestaltet und damit ein Einblick in das eigene Leben gewährt werden. „Das Ergebnis wurde ganz anders, als ich mir das anfangs vorgesellt hatte. Aus den alten Mustern herausgewachsen, konnte ich meinen neuen ‚Werdegang‘ Schritt für Schritt künstlerisch genießen und Neues entstehen lassen.“ Am Ende hob sie ihr Leben – künstlerisch – auf ein Podest und machte daraus ein „Wir“, weil in Gemeinschaft vieles leichter geht. „Mir ist es wichtig, dass ich meinen Herzensweg weitergehen kann – ein Weg, der mich auf dem richtigen Kurs hält,“ so Claudia Maria Lovinfosse. Der richtige Kurs: Das bedeutet zunächst einmal, den Führerschein zu machen, eine Ausbildung anzufangen und diese auch abzuschließen.
Über die Solidaritätskollekte:
Das Bistum Aachen koordiniert und fördert mehr als 30 Projekte und Initiativen für erwerbslose und prekär beschäftigte Menschen aus den Mitteln des Solidaritätsfonds. Dazu gehören auch die „Beratungsstellen Arbeit“, die es in Aachen, Düren, Heinsberg, Krefeld, Kempen-Viersen und Mönchengladbach gibt. Hier findet Beratung für Menschen in prekären Arbeitssituationen, aber ebenso auch in Erwerbslosigkeit und dadurch bedingten prekären Lebenslagen statt. Durch die wichtige Arbeit dieser Initiativen finden täglich zahlreiche Menschen Unterstützung, Beratung, Bildung und Arbeit und damit die Chance auf Gemeinschaft und ein eigenständiges Leben. Für junge Menschen gibt es außerdem Hilfen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, begleitende Angebote während der Lehre und sogar Ausbildungsplätze innerhalb des Netzwerks der Initiative, wie zum Beispiel beim Volksverein in Mönchengladbach. Wichtig dabei: erwerbslose Menschen dürfen nicht allein auf ihre Erwerbslosigkeit reduziert werden. Stattdessen ist die Begegnung auf Augenhöhe wichtig, damit Menschen sich ihrer Würde wieder bewusstwerden können. Sie sollen erkennen, dass sie keine Bittsteller sind, sondern einen Rechtsanspruch auf staatliche Hilfe haben.