Das Umstürzende der Osterbotschaft auf sich einwirken lassen

Bischof Dieser: Glaube weckt in krisengeschüttelter Zeit in uns die Kräfte des Widerstands

Weitergabe des Osterlichtes in der Osternachtsfeier (c) Bistum Aachen/Christian van't Hoen
Weitergabe des Osterlichtes in der Osternachtsfeier
Datum:
Sa. 30. März 2024
Von:
Stabsabteilung Kommunikaion

Der Bischof von Aachen, Dr. Helmut Dieser, hat in der Osternacht dazu aufgerufen, das Umstürzende der Osterbotschaft auf sich einwirken und sich sagen zu lassen, dass der absolute Ernstfall unseres Mensch¬seins sich in Jesus vollumfassend ereignet hat. „Schauen wir auf die Stellen, wo bei uns Untergangsängste und Ratlosigkeit, echte Bedrohungen,  Erfahrungen von Scheitern, Tod und Verderben liegen, und lassen wir die Botschaft dort hineindringen“, forderte der Bischof in seiner Predigt im Aachener Dom.

 „Dann kommen der Ernstfall des Lebens und der Ernstfall des Glaubens ineinander, weit mehr als bei jedem Probealarm oder einem betrügerischen Schock¬anruf, dann verändert uns das Osterfest gerade heute, unser Leben wird größer, und unser Glaube weckt in uns die Kräfte des Widerstands und des aufrechten Gangs.“

In seiner Predigt wies der Bischof darauf hin, dass unsere Zeit krisengeschüttelt und ungemein aufwühlend, verunsichernd und belastend für Menschen quer durch die ganze Gesellschaft sei. Als Beispiele zählte er die aggressiven Verschiebungen in der Weltpolitik, die Gefahren, die dem demokratischen Zusammenhalt der Gesellschaften in Europa und weltweit drohen, Krieg und Terroranschäge, verschärfte Anschlagsgefahren, dauernde Warnungen vor den Bedrohungen durch Klimaveränderungen, den ökologischen Umbau der Energieversorgung und der Industrie, offene Scheunentore für Manipulationen und aggressive Propaganda in den sozialen Medien sowie durch die neuen Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz auf. Angesichts dieser Krisen und Gefahren solle man sich sagen lassen, „dass die Osterbotschaft jeder Realität standhält und sie in sich aufnimmt  und verändert, dass Jesus von Nazareth wirklich der Sohn Gottes ist, der Macht hat über alle Vernichtungskräfte und den Tod, dass er ohne Schonung und eigene Reserven hinabgestiegen ist in unsere Abgründe und menschlichen Katastrophen und dass die für den Moment des Ernstfalls überfordernde Botschaft des jungen Mannes am leeren Grab alles verändert, auch für uns.“.

Dieser erinnerte in seiner Predigt daran, dass die Frauen, die am Ostermorgen zum Grab Jesu gekommen seien, laut dem Markusevangelium das Grab mit Zittern und Entsetzen, Fliehen und Verstummen, also typischen Schockreaktionen, verlassen hätten. Damit lasse Markus sein Evangelium ursprünglich sogar enden. Es gebe viele Erzählungen im Markusevangelium, bei denen die Menschen, die Jesus erlebten, staunten oder sogar in Furcht gerieten. Und immer wieder wolle Jesus nicht, dass die, die dabei gewesen seien, darüber reden sollten. „Sensationslust, Gerede und Erlebnishunger sind eher hinderlich für das, worum es geht“, betonte Dieser. Erst als Jesus tot sei, unter dem Kreuz, nach seinem letzten lauten Schrei, mit dem er qualvoll gestorben sei, spreche ein Außenstehender die ganze Wahrheit über Jesus offen aus: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“. „Das, worum es Jesus geht, ist erst ganz und gar erkennbar durch dieses Äußerste, was mit ihm geschehen ist und geschehen musste“, betonte der Bischof. „Und vom Glaubenssatz des römischen Hauptmanns unter dem Kreuz spannt sich der Bogen zu den Frauen, die nach dem Sabbat früh am Morgen beim Sonnenaufgang gekommen sind, um den toten Jesus zu salben.“ Die Frauen würden in eine noch völlig unbekannte und neue Situation hineingestoßen, erklärte der Bischof. Dabei rutsche ihnen der Boden unter den Füßen weg, denn in alles, was sie vorher gekannt hätten, passe das nicht mehr hinein. „Was ihnen da widerfährt, ist so umstürzend, dass sie in diesem Moment zu nichts anderem fähig sind, als zitternd und außer sich wegzulaufen“, erläuterte Dieser. „Erst nach und nach entsteht in ihnen, was entstehen soll: ein Ganzes, eine volle und ganze Sicht auf Jesus, auf seinen Weg: seine Worte und seine Taten, von Galiläa angefangen bis zu diesem frühen Ostermorgen.“ Der weiß gekleidete junge Mann, von dem sie am leeren Grab angesprochen würden, wolle ihnen zu dieser Sicht verhelfen, und fordere sie sogar auf, die Jünger und den Petrus ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass Jesus ihnen nach Galiläa vorausgehe und sie ihn dort sehen könnten. „Der Evangelist Markus will tatsächlich, dass alle, die sein Evangelium lesen, in eine solche innere Bewegung geraten: Worauf alles mit Jesus hinausgegangen ist, das macht erst völlig klar und sicher, was alles damals begonnen hatte, wie eins zum andern passt, wie du mit diesem Vollen und Ganzen des Jesus von Nazareth in eine vollkommen andere noch nie da gewesene Situation eintrittst, wenn du glaubst.“

Doch dafür genügt nach Auffassung des Bischofs weder das Lesen noch eine schöne, maßgeschneiderte religiöse Einstellung oder Praxis, die man sich wie einen Vorrat anlege. „Wenn du mitgehst mit Jesus - von Galiläa bis bis zu diesem frühen Ostermorgen - und wenn du dann wieder und an den Anfang zurückschwenkst und das in dir selbst sich abspielt, was dir da von Jesus erzählt wird, dann kann und dann muss eine neue größere Gewissheit sich den Weg zu dir bahnen und in dir und in deinen Lebensthemen zum Durchbruch kommen, und das kann erschreckend, ja schmerzhaft werden“, hob Dieser abschließend hervor. Wie damals bei den ostererprobten Frauen und Männern der ersten Stunde kämen am Ende auch bei uns die Osterfreude sowie das Sicherwerden und das Teilen der Osterfreude nach und nach dazu. „Das Leben lernt  auf ganz neuen Füßen zu laufen“, schloss der Bischof. 

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