„Der Wert des Lebens ist nicht bezifferbar“

Über eine Ethik des Geldes im Neuen Testament

Aleksandra Brandt (c) Aleksandra Brandt
Aleksandra Brandt
Datum:
Mo. 25. März 2024
Von:
Stabsabteilung Kommunikation

Spielt Geld in der Bibel eine Rolle? Mit dieser Frage hat sich Aleksandra Brand beschäftigt. Sie ist Assistentin am Lehrstuhl für Neues Testament an der Universität Luzern. In ihrer Promtion hat sie Geldmetaphern und -erzählungen des Neuen Testamentes  unter die Lupe genommen.

Über eine Ethik des Geldes im Neuen Testament

Es gibt sehr viele Geldmetaphern und -erzählungen im Neuen Testament. Diese zu sichten und einzuordnen war gar nicht so leicht. Es ist schon erstaunlich, wie viele Erzählungen der Bibel sich um das Thema Geld drehen; in metaphorischer Weise oder als ganz konkrete Handlungsanweisung. Bei der thematischen Einordnung fällt zudem auf, dass es viele Schnittstellen zu einem interdisziplinären Diskurs mit der Philosophie gibt. Zum Beispiel mit der Denkrichtung der Wertetheorie von Joseph Schumpeter oder Georg Simmel. Demnach gibt es nicht nur einen objektiven, sondern auch einen subjektiven Wert des Geldes. Anders ausgedrückt: Der Wert des Lebens ist nicht käuflich. Dies lässt sich biblisch-theologisch sehr stark in einer Aussage des Markusevangeliums verorten. Aber gerade der Wertbegriff ist sehr schillernd. Die biblischen Texte aber beantworten die Frage, was der Wert des Lebens ist. Wenn ich diese theologische Differenzierung auf Basis der biblischen Texte gemacht habe, dann kann ich im nächsten Schritt sowohl eine Theologie als auch eine Ethik des Geldes formulieren. Wenn man sich die vielen Gelderzählungen anschaut, die die Bereiche „Leben mit Gott“ beziehungsweise „Geld für Gott“ und den „Tempel als zentralen wirtschaftlichen Raum“ thematisieren, wird deutlich, dass die Gesellschaft zur Zeit des Neuen Testamentes nicht naiv, sondern sehr differenziert auch mit Geld funktionierte.

Kann Paulus als erster Fundraiser der Geschichte bezeichnet werden?

Im 2. Korintherbrief und im Philipperbrief erfahren wir, dass Paulus zum einen Geld benötigte und zum anderen, wie er es konkret einsetzte. Da Paulus seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten konnte, hat er sich beim Sammeln der Kollekte vor allem für ärmere Gemeinden stark gemacht. Es war klar: die Korinther hatten viel Geld und Paulus wusste das. Er war ein Stratege und hat durch seine Reisen viele Netzwerke geknüpft, die er nutzte. Das paulinischen Fundraising diente dazu, Petrus und die Jerusalemer Gemeinde zu unterstützen und damit auch zu stärken („Wir brauchen das Geld für Jerusalem“). Klar ist, dass das eine zentrale Aufgabe des paulinischen Missionshandelns war: nämlich Gelder zu akquirieren. Meine These wäre sogar, dass der 2. Korintherbrief aus dem Grund geschrieben worden ist, damit diese Kollekte am Ende auch wirklich stattfinden konnte. In diesem Sinne kann Paulus sicherlich als der erste Fundraiser der Geschichte bezeichnet werden.

Der Wert des Lebens ist nicht bezifferbar. Welche Implikationen hat dies in Bezug auf das Fundraising in der Antike?

Eine ganz pragmatische Logik wäre: die Barmherzigkeit als christliche Form der Gerechtigkeit muss sich in konkretem Handeln ausdrücken. Hierfür braucht es dann am Ende auch das Geld als ein ganz profanes Medium, beispielsweise für Steuerzahlungen an den Kaiser, wie sie im Römerbrief genannt werden. Letzteres spielte damals eine zentrale Rolle. Wer unklug handelte oder die Verwaltung nicht ernst nahm, konnte schnell in ernste Schwierigkeiten geraten. Darüber hinaus war Paulus aber von der Überzeugung getrieben, dass der Wert des Lebens über eine bezifferbare Geldsumme hinausgeht. Und weil das so war, konnte man Geld einsetzen. Anders formuliert: Weil der Wert des Geldes eben nicht zum letztgültigen Wert des Lebens gemacht wird, kann mit Geld umgegangen werden: Nicht verschwenderisch, sondern verantwortlich. Es gliedert sich ein in ganz konkrete Fragen des Miteinanders, die die paulinischen Briefe betrachten; Wie sollen die ersten Christinnen und Gemeinden eigentlich miteinander leben und sich gegenseitig – auch in der Not – unterstützen? Was sollen sie konkret tun?

Was können wir aus der urchristlichen Gemeinde für die Gegenwart lernen?

Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass mit Geld Gutes angestellt werden kann und dass sinnvolles Handeln bedeutet, in diesen Logiken zu wirken. Wir leben in einer Gesellschaft, die wirtschaftlich handlungsfähig sein muss. Das darf man nicht vergessen, auch als Christ nicht. Nur an den Lohn im Himmel zu denken oder gar davon auszugehen, dass die Endzeit nahe ist und dass es sich nicht lohnt zu investieren, entspricht nicht dieser Logik. Ganz im Gegenteil müsste man argumentieren: gerade weil das letzte Hemd keine Tasche hat, sollte verantwortungsvolles Handeln möglich sein. Die Frage sollte lauten: Wie mit Geld umgehen, wenn ich nicht daran glaube? Gerade auch, weil die Relationen des Lebens völlig anders sind und keiner kapitalistischen Logik eines „höher, weiter und schneller“ folgen, kann man Geld abgeben und es einsetzen.

Was bleibt den dann am Ende übrig?

Was zählt, ist der gerechte Umgang in dieser Welt, zum Beispiel auch mit Geld. Ich denke da an die Philosophie der Befähigung oder der Verteilung. Als Exegetin kann ich deutlich machen, wie viele Texte sich mit dem Thema Geld beschäftigen und dass sogar Geldmetaphern benutzt werden, um zentrale theologische Inhalte zu deuten. Umso wichtiger ist es, diese zu verstehen, sie richtig einzuordnen und sie als Christinnen und Christen in das Leben im Hier und Jetzt einzubringen. Der verantwortliche Umgang mit Geld ist genauso wichtig wie die Verantwortung im Handeln mit der Schöpfung. Es ist die Klugheit, die am Ende entscheidend ist. Das zeigt auch das biblische Gleichnis vom unehrlichen Verwalter (LK 16,1).