30 Jahre nach dem Tod des früheren Aachener Bischof Klaus Hemmerle wurde am 26.01.2024 in Aachen zum elften Mal der nach ihm benannte Preis verliehen: Er ging an den tschechisch-kanadischen Kardinal Michael Czerny SJ.
Laudator Johannes Wallacher, Präsident der Hochschule für Philosophie in München, nannte ihn einen motivierenden Zeugen und einen glaubwürdigen Inspirator, wie es sie gerade jetzt in Kirche und Welt dringend brauche.
Der Jesuit Michael Czerny steht für Vertiefung und Umsetzung einer stetig aktualisierten Soziallehre der katholischen Kirche, die Maß nimmt an den je aktuellen Bedürfnissen und Nöten der Menschen. Der Kurienkardinal wurde von der Fokolar-Bewegung geehrt für sein Wirken und Zeugnis als Brückenbauer, dem es immer wieder gelingt, große Herausforderungen im Dialog mit Menschen unterschiedlicher weltanschaulicher Hintergründe und in Zusammenarbeit mit Partnern und Verbündeten diverser kultureller Beheimatungen anzugehen.
„Er hat immer wieder das Schweigen gebrochen“ beschrieb ihn der apostolische Nuntius Erzbischof Dr. Nikola Eterović in seinem Grußwort und dankte Czerny vor allem für seinen Einsatz für die Menschrechte, für Geflüchtete und Vertriebene.
Der Aachener Bischof Dr. Helmut Dieser brachte Czernys Wirken mit einem wichtigen Anliegen von Papst Franziskus in Verbindung: „Die Geschwisterlichkeit aller Menschen ist das Leitthema von Papst Franziskus. Sie, Kardinal Czerny, sind Unterstützer und Vordenker in diesem Anliegen“. Er wünsche sich, dass mit der Preisverleihung von Aachen Impulse, Orientierung und Trost ausgingen.
Fokolar-Präsidentin Margaret Karram gratulierte dem Jesuiten mit einer Grußbotschaft, die verlesen wurde. Die palästinensische Christin aus Israel sieht Czerny als Verbündeten im Bemühen, in Konflikten zu vermitteln und für ein solidarisches Miteinander zu werben:
„In diesem historischen Moment erscheint die Verleihung der Auszeichnung an Sie, lieber Kardinal Czerny, besonders bedeutsam, denn sie soll diejenigen ehren, die sich wie Sie als Brückenbauer auszeichnen, für eine Kultur der Einheit und Geschwisterlichkeit, in der kulturelle Unterschiede als gegenseitige Bereicherung aufgenommen werden. Nur eine Gesellschaft, die offen ist für den Dialog mit allen, für Integration und Teilhabe, kann positive Veränderungsprozesse anstoßen, die für eine lebenswerte Zukunft in Frieden und zur Bewahrung der Schöpfung notwendig sind.“
Laudator Prof. Dr. Dr. Johannes Wallacher, Präsident der Hochschule für Philosophie in München skizzierte dann in seiner Ehrenrede vor allem Czernys Verdienste um eine theologische Weiterentwicklung und seinen Einsatz für die gesellschaftspolitische Umsetzung der Katholischen Soziallehre (KSL) im Kontext der verschiedenen Aufgaben und Lebensstationen des Preisträgers.
Die Auszeichnung Czernys helfe, „deutlich zu machen, wie zentral die KSL für den kirchlichen Auftrag, die eigene Glaubwürdigkeit und den Dialog von Kirche mit der modernen und säkularisierten Welt ist.“
Wallacher zeigte auf, wie die Kernelemente der KSL im Laufe der Jahre und durch den Beitrag vieler eine stetige Erweiterung und Vertiefung erfahren haben. Zuletzt habe Papst Franziskus mit der Enzyklika Laudato si’ „den Fokus mit dem aussagekräftigen Narrativ der Sorge um das gemeinsame Haus um die ökologische Dimension erweitert“.
Immer mehr sei auch in den Dokumenten die Möglichkeit der Menschen zu Partizipation und Mitgestaltung gesellschaftlicher Strukturen ins Licht gerückt worden. Er beobachte auch eine Akzentverschiebung beim Adressatenkreis, in den nun auch Menschen ohne religiöses Bekenntnis aber „guten Willens“ einbezogen seien. Und Michael Czerny sei ein Mensch, der überall glaubwürdig und authentisch solche Menschen verbinde und in schwierigen Kontexten vermittle:
„Pater Czerny hat in seinen verschiedenen Tätigkeiten verschiedenste soziale Nöte der jeweiligen Zeit erlebt und erfahren, sich von ihnen anfragen lassen, um davon ausgehend persönliche wie strukturelle Antworten zu geben.“
Laudator Wallacher zitierte die „Vision der globalen Geschwisterlichkeit als Zeichen der Zeit und zentralen Schlüssel für Antworten auf die aktuellen gegenwärtigen Nöte“, für die Czerny sich stark mache und für die er nicht zuletzt motivierendes Vorbild sei.
In seiner Erwiderung nahm auch Kardinal Michael Czerny selbst Bezug auf verschiedene Texte der Katholischen Soziallehre, die er heute für wegweisend hält. Er stimmte Papst Franziskus zu, der in seiner Schrift „Fratelli tutti“ forderte, dass die „Wegwerfkultur“ durch eine Kultur der Begegnung ersetzt werden müsse. Freundschaft und Geschwisterlichkeit seien die Gefühle, die zum Aufbau einer gerechten Gesellschaft nötig seien. Es ginge darum, das Konzept des Fortschritts zu überdenken und ein Gemeinschaftsgefühl, ein „Wir“ wiederherzustellen.
„Wir müssen unseren Fokus von Profit auf Wohlstand, von Wirtschaftswachstum auf Nachhaltigkeit und von Materialität auf Menschenwürde verlagern“.
Für den Preis sei er dankbar, weil er eine Ermutigung sei, „weiterhin alle vorhandenen Kräfte des Guten im Sinne einer ganzheitlichen Entwicklung zu bündeln, zum Dienst und Nutzen der gesamten Menschheitsfamilie“.
Die Fokolar-Bewegung gehört zu den neuen geistlichen Aufbrüchen, die in den letzten 80 Jahren in den christlichen Kirchen entstanden sind. Ihre Ursprünge gehen auf das Jahr 1943 in Trient zurück. Mittlerweile ist sie in mehr als 180 Ländern der Welt vertreten. Ihr Ziel ist, den Geist der Einheit und Geschwisterlichkeit verstärkt in Kirche und Gesellschaft und in alle Bereiche des menschlichen Lebens hinein zu tragen.
Im Gedenken an die Person und an das geistige Vermächtnis des früheren katholischen Bischofs von Aachen Klaus Hemmerle (1929 - 1994) ehrt die Fokolar-Bewegung Persönlichkeiten, die als „Brückenbauer“ den Dialog zwischen den Kirchen, Religionen und Weltanschauungen fördern. Der Preis wird alle zwei Jahre verliehen und ist undotiert.