Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt ist eine Frage der Haltung und Verantwortung, sich mit der Geschichte der vergangenen Jahrzehnte im Bistum Aachen auseinanderzusetzen. Es braucht eine Kultur des Hinsehens und der Transparenz auf allen Ebenen, um sexualisierter Gewalt zu begegnen und durch wirksame Präventionskonzepte zu verhindern. Mit der Veröffentlichung des unabhängigen Missbrauchsgutachtens durch die Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl im November 2020 hatte das Bistum Aachen eine wichtige Zwischenetappe erreicht, um die systemischen Ursachen für sexualisierte Gewalt und Missbrauch im Bistum offenzulegen.
Nicht erst seitdem ist viel passiert: Die strukturelle Beteiligung von Betroffenen, die Neuausrichtung der Priesterausbildung und -begleitung, die Intensivierung und der konsequente Einsatz bestehender Schutzkonzepte in allen Pfarreien und Einrichtungen sowie die weitere Professionalisierung von Intervention und Prävention und eine verlässliche transparente Kommunikationsarbeit sind nur einige Hebel, mit denen das Bistum einem System begegnet, das Klerikalismus und Co-Klerikalismus wirksam werden ließ.
Alle Maßnahmen werden seit fast drei Jahren von unabhängigen Gremien, in denen sich unter anderem Betroffene, Mediziner und Juristen engagieren, begleitet und kontrolliert.
Der Schutz von Betroffenen steht an erster Stelle. Viele von ihnen haben über viele Jahrzehnte ihre eigene Leidensgeschichte verdrängt, um auf diese Weise mit den begangenen Verbrechen durch Priester leben zu können. Sie fordern zu Recht, dass sich Kirche der Verantwortung stellt, und verlangen nach Gerechtigkeit, die es jedoch wohl nie ganz geben kann. Doch es führt kein Weg daran vorbei, sich den Tatsachen zu stellen und gemeinsam Möglichkeiten zu schaffen, dass sich Betroffene melden, um das Dunkelfeld zu erhellen.
Das Bistum Aachen verfügt seit 2010 über eine wirksame Prävention. Im Laufe der vergangenen Jahre ist dieser Fachbereich ausgebaut worden. Prävention, Intervention und Ansprechpersonen sind im Bistum Aachen seit 2020 in einer Abteilung (PIA) zusammengeführt. Zum 1. Januar 2023 wurde PIA zu einer Stabsabteilung mit eigenständiger Leitung und mit größerem Stellenumfang aufgewertet. Mit dieser weiteren Stärkung signalisiert das Bistum Aachen, dass die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt als abteilungsübergreifende Querschnittsaufgabe auch langfristig hohe Priorität genießt.
Präventionsbeauftragte gibt es beim Bistum Aachen seit mehr als zehn Jahren, ein Interventionsbeauftragter wurde 2020 ernannt. Der oder die Interventionsbeauftragte ist zuständig für das Management aktueller Fälle und für das Verfahren zur Anerkennung des Leids.
Seit 2010 haben insgesamt über 40.000 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Präventionsschulungen teilgenommen.
Gemeinsam haben die fünf nordrhein-westfälischen (Erz-)Bistümer Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn 2023 ein Forschungsprojekt in Auftrag gegeben, das die Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen erforscht. Die Ergebnisse wurden im November 2024 veröffentlicht und zeigen, dass Prävention wirkt.